Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Schon öfter ist an dieser Stelle das Thema Verkehrssicherungspflicht im Verein behandelt worden; auch zur Aufsichtspflicht wurde schon Stellung genommen.Es naht die „Chor-Hauptsaison“, die Konzert- und Veranstaltungsjahreszeit im Dezember, und dieses Thema rückt damit wieder in den Vordergrund.
Es soll deshalb nochmals daran erinnert werden, dass Weihnachtskonzerte und andere Chorveranstaltungen sowie Reisen, vor allem mit Jugendlichen auch ihre Ansprüche stellen und Probleme haben. Von diesen soll nun hier die Rede sein, verbunden mit der Absicht, das Bewusstsein für die Risiken aufzufrischen, um diesen wirksam begegnen und die Veranstaltungen der Advents- und Weihnachtszeit „unbeschadet“ genießen zu können.
Landläufig wird unter Verkehrssicherungspflicht häufig die Räum- und Streupflicht sowie die Absicherung von Veranstaltungen des Chores verstanden. Hier geschehen auch tatsächlich die meisten Unfälle und werden die häufigsten Fehler gemacht.
Einige Beispiele:
Räum- und Streupflicht
In der kalten Jahreszeit nimmt die Gefahr von Glätte auf Straßen und Gehwegen zu. Damit werden auch an die Sorgfalt der Vorstandsmitglieder und sonstigen Beauftragten eines Vereins erhöhte Anforderungen gestellt. Grundsätzlich verlangt das Gesetz, dass der Vorstand seine durch die Wahl übernommene Sorgfalts- und Fürsorgepflicht für den Verein und seine Mitglieder sorfältig ausübt, § 27 Abs. 3 mit §§ 664 – 670 BGB analog.
Diese Verpflichtung gilt für alle Vorstandsmitglieder, also nicht nur diejenigen, die nach § 26 BGB gewählt und befugt sind, den Verein nach außen zu vertreten. In jedem Verein, bei den Veranstaltungen jedes Chores sind Gefahren und Risiken denkbar und vorhanden, deren sich der Vorstand als verantwortliches, geschäftsführendes Organ bewusst sein muss. Er muss also zunächst Gefahrenpotenziale erkennen, analysieren und darauf aufbauen, die geeigneten Maßnahmen zu deren Vermeidung oder zumindest Verminderung treffen.
Bei der Räum- und Streupflicht ist es keineswegs so, dass der Pflichtige jegliche Gefahr, jegliches Risiko vom Nutzer abwenden muss. Das kann er nämlich gar nicht. Auch bei größter Sorgfalt und der Beachtung der Räum- und Streupflicht kann es zu Unfällen kommen. Es ist deshalb allge-
mein anerkannt, dass auch vom Nutzer, also beispielsweise vom Besucher des Vereinsheims oder vom Vereinsmitglied eine auch der Jahreszeit und Gefährdungslage angepasste, erhöhte Aufmerksamkeit zu verlangen ist, was die Juristen manchmal „eigenübliche Sorgfalt“ nennen.
Wenn dennoch etwas passiert (ein Besucher stürzt und bricht sich das Bein, ein Chorsänger fällt rückwärts von der Bühne, weil die Absicherung fehlt), ist zunächst zu prüfen, ob tatsächlich eine Verkehrssicherungspflicht des Vereins vorliegt. Denn: Ist der Verein nicht Veranstalter, ist er in der Regel auch nicht verkehrssicherungspflichtig. Das ist dann beispielsweise die Gemeinde, die die Veranstaltung durchführt und dazu den Chor einlädt.
Wichtig ist: Wer ist der Veranstalter
Ist der Verein Veranstalter, also derjenige, der für die Organisation, den Kartenverkauf, die öffentliche Ankündigung des Konzertes etc. zuständig ist, ist zu prüfen, ob nicht die allgemeine, der Gemeinde obliegende Räum- und Streupflicht nach der gemeindlichen Satzung vorgeht, was natürlich nur für die öffentlichen Flächen (öffentliche Parkplätze, Gehwege etc.) gilt. Diese besteht grundsätzlich bei der Gemeinde, wird jedoch häufig durch eine Satzung auf die Grundstückseigentümer überwälzt, die dann beispielsweise auch ihre Verpflichtung an ihre Mieter weiterübertragen kann.
Wer ist verantwortlich?
Bleibt es nach diesen Vorprüfungen dabei, dass der Vorstand für die Verkehrssicherungspflicht, also die Räum- und Streupflicht, verantwortlich war, ist zu prüfen, ob er diese seine Verpflichtung in zumindest fahrlässiger Weise verletzt hat. War die Gefährdungssituation für den Vorstand vorhersehbar und vermeidbar, hat er seine Verkehrssicherungspflicht nicht ohne Verschulden, sondern fahrlässig verletzt. Damit ist seine Haftung ausgelöst und grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegeben. Dieser Anspruch kann bei eigener Unvorsichtigkeit des Geschädigten im Wege des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB gemindert sein, sodass er zu einer Quotierung des zu ersetzenden Schadens kommt, oder aber ist das eigene Verschulden des Geschädigten so groß, dass das Verschulden des Vereins dahinter zurückbleibt, sodass ein Schadenersatzanspruch gänzlich ausgeschlossen ist.
Das geschieht beispielsweise immer wieder, wenn der Glätteunfall „zu nachtschlafender Zeit“, nämlich außerhalb der Tageszeit (06:00 bis 22:00 Uhr) geschieht und/oder vom Verein nicht erwartet werden konnte, dass schon oder noch gestreut wurde. Diese Haftungserleichterung kommt im Übrigen auch jeder Kommune zugute, die auch nicht um kurz nach 6 Uhr am Morgen alle Straßen der Gemeinde und alle Gehwege, für die sie zuständig ist, gestreut haben muss, sondern nur dann, wenn sie ihren eigenen Räum- und Streuplan einhält, der wiederum Gefahrenschwerpunkte zuerst ins Auge nehmen muss, die am meisten gefährdet sind (Straßenkreuzungen, innerörtliche Bundesstraßen, besondere Gefahrenstellen, Gefällstrecken etc.). Ähnlich verhält es sich beim Verein, allerdings nur für die in seiner Verkehrssicherungspflicht stehenden öffentlichen und privaten Verkehrsflächen.
Es ist also ein relativ komplexer Vorgang, die Haftung des Vorstandes bei einem – beispielsweise – Glätteunfall festzustellen. Gleichwohl sollte, um diese Diskussion gar nicht erst führen zu müssen, der Vorstand das Erforderliche tun:
Wer haftet?
Zunächst muss innerhalb des Vorstandes festgelegt werden, wer für die Beachtung der Räum- und Streupflicht verantwortlich ist. Im Schadensfall haftet bekanntlich zunächst der Verein, § 31 BGB. Bei unerlaubten Handlungen haftet gesamtschuldnerisch daneben das handelnde Vorstandsmitglied. Aber: Seine Haftung ist in zweierlei Hinsicht gemindert oder aufgehoben:
Zum einen durch die Haftungserleichterung in § 31a BGB: Er haftet nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Oder: Seine gesamtschuldnerische Haftung besteht und er wird in Anspruch genommen. Dann hat er nach §§ 31a, 40 BGB einen Anspruch gegen den Verein, von dieser Haftung freigestellt zu werden.
In beiden Fällen trifft die Haftung dann den Verein, und es ist gut, dass es hierfür eine für jeden Verein des Schwäbischen Chorverbandes geltende Vermögenschadenhaftpflichtversicherung gibt, soweit nicht ohnehin die Veranstalterhaftpflichtversicherung eintritt, die im selben Versicherungs-„Paket“ für jeden Verein des Schwäbischen wie des Deutschen Chorverbandes mit der ARAG „enthalten“ ist.
Haftungssituationen können auch in anderem Zusammenhang bestehen; die Rechtsprechung ist außerordentlich umfangreich. Sie betrifft allerdings nicht hauptsächlich Vereine; im Gegenteil: Die Inanspruchnahme von Vereinsvorständen und Vereinen für Verkehrssicherungspflichten ist statistisch unbedeutend. Nicht zuletzt deshalb, weil die Vereine in aller Regel ihre Pflichten kennen und beachten.
Übrigens: Was hier gesagt wurde, gilt auch für beauftragte Mitglieder des Vereins, für die allerdings auch (§ 31b BGB) die Haftungserleichterung durch Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit Gültigkeit hat.
Weitere Gefahren
Bei Weihnachtsfeiern, Weihnachtskonzerten etc. entstehen die üblichen Gefahrensituationen, die auch bei jedem anderen Konzert zu finden sind. Besonders hinzuweisen ist allenfalls, wegen des erhöhten Einsatzes von Licht- und Leuchtmitteln, insbesondere von Kerzen, auf die besondere Aufmerksamkeit, die auf die Freihaltung von Fluchtwegen zu richten ist, die im Brandfalle benutzt werden können müssen und deshalb nicht verstellt sein dürfen.
Die Überprüfung des Veranstaltungsortes auf ausreichend vorhandene Löschmittel gehört zur selbstverständlichen Vorbereitung einer solchen Veranstaltung. Der Umgang mit Feuer erfordert besondere Sorgfalt, vor allem dann, wenn es sich um Veranstaltungen mit Kindern und jungen Jugendlichen handelt. Es wurden einmal ein Bräutigam und seine Eltern als Veranstalter einer Hochzeitsfeier zu Schadenersatz in erheblicher Höhe verurteilt, weil sie bei der Hochzeitsfeier die Entzündung von sogenannten Himmelslaternen durch Hochzeitsgäste zugelassen hatten, die durch die ungünstige Windsituation zwei benachbarte Wohngebäude entzündeten und zum vollständigen Abbrand brachten. Die Entscheidung wies darauf hin, dass nicht nur die Schaffung einer Gefahrenlage, sondern auch die Unterlassung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahrenlage zur Schadenersatzleistung verpflichten kann.
Erkennt also der Vorstand, dass sich Gäste oder Mitglieder so verhalten, dass eine Gefahr für die Veranstaltung und die daran beteiligten Personen entstehen kann, und schreitet er nicht dagegen ein, trägt er zur Erhöhung der Gefahrensituation bei und kann ebenfalls in Anspruch genommen werden.
Es ist kein „Hexenwerk“, für eine sichere Weihnachtsveranstaltung zu sorgen. Vor allem mit den Versicherungen des SCV (www.s-chorverband.de/vereinsfuehrung/versicherung/). Und wenn sie dann brennen, die Weihnachtslichter (und nur diese!), kann auch der Vorstand fröhlich und entspannt mit den ihm anvertrauten Vereinsmitgliedern und Gästen die Adventsund Weihnachtsfeier genießen.
Kontakt:
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.