Entwicklungen im Verein betreffen mehr als nur den Vorstand – die Zukunft braucht solide Säulen
Beim Thema Vereinsentwicklung denken die meisten eher an klassische Themen wie Nachwuchsgewinnung für den Vorstand oder das Besetzen ihrer Stimmen im Chor. Doch Vereinsentwicklung hat auch eine ganz klare musikalische Note. Der Chorleiter ist das musikalische Rückgrat eines Vereines. Eine gute und zukunftsgerichtete Vereinsarbeit kann nur Hand in Hand mit einer aktiven musikalischen Entwicklung gehen.
Immer mehr Chöre sind auf der Suche nach gut ausgebildeten Chorleitern und tun schwer daran, einen passende zu finden. Die Qualität, aber auch in Genre und nicht zuletzt das Menschliche müsste zwischen Sängern, Vorstand und Chorleitung passen. Hinzu kommt, dass es nicht nur gefühlt immer weniger Chorleiter gibt. Musikalisches Personal als Mangelware: Das hinterlässt Spuren in der Amateurchorszene in Baden-Württemberg.
Die Musikhochschulen und Akademien bilden immer noch den Großteil der Chorleiter aus, die später auch im Amateurchor arbeiten. Besonders die Bundesakademie in Trossingen und die Landesakademie in Ochsenhausen sind hier sehr nahe an der Amateurszene. Auch die Hochschulen sind immer mehr an einer guten Zusammenarbeit mit den Amateurverbänden interessiert, um ihre Absolventen fit für den Amateurchor zu machen. Ein Amateurchor stellt den Chorleiter vor andere Herausforderungen in Probendidaktik als ein Universitätschor. Auf die Arbeit im Amateurbereich müssen Chorleiter daher gut vorbereitet werden. Kommt hier Frust auf, nutzt es dem Verein und dem Chorleiter wenig. Bei den Ausbildungen innerhalb des Verbandes wird auf die Rolle der Amateurmusik der Fokus gelegt. Daher wird die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich nicht nur im Gebiet des Schwäbischen Chorverbandes immer wichtiger. Seit Jahrzehnten wird hier eine solide Grundausbildung geboten.
Die C-Ausbildung ist die wohl wichtigste Ausbildungslinie, die der Schwäbische Chorverband zu bieten hat. Hier werden Chorleiter ausgebildet, weitergebildet und fit gemacht für die Arbeit im Amateurchorbereich und darüber hinaus.
Die immerwährende Suche nach dem perfekten Chorleiter
Chorleiter wachsen nicht auf Bäumen, aber man kann sich durchaus welche züchten. Das hört sich komplizierter an, als es ist. Es benötigt allerdings Zeit und Willen. Natürlich braucht ein Verein einen fertig ausgebildeten Chorleiter, wenn er Qualität abliefern will. Das steht nicht zur Diskussion. Doch früh übt sich wer ein Chorleiter werden möchte. Erst einen Nachfolger zu suchen, wenn die Lücke bereits entstanden ist, erleichtert die Situation meistens nicht. Es ist schwer unter Druck einen passenden Kandidaten zu finden. Genau wie in der Vorstandsnachfolge kann es daher sinnvoll sein, sich in den eigenen Reihen einmal nach einem gutem Chorleiter um zu sehen.
Wie bereits in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift SINGEN zu lesen war, kann man Jugendliche im Verein ermuntern und unterstützen, sich zur Musikmentorenausbildung anzumelden. Ein guter Einstieg für alle, die sich in diesem Bereich einmal ausprobieren möchten. Um den Einstieg zur Chorleitung zu finden muss man aber kein Jugendlicher sein. Lernen kennt kein Alter und so ist auch der Zugang zu den Chorleitungskursen des Schwäbischen Chorverbands (SCV) für alle geöffnet. Innerhalb des Schwäbischen Chorverbands und seiner Regionalchorverbände gibt es drei Stufen der Ausbildung:
C1: Vizechorleiterausbildung
Die Ausbildung zum Vizechorleiter erfolgt in den Regionalchorverbänden und ist ein niedrigschwelliger Einstieg in das Thema Chorleitung. Mit dieser Ausbildung ist der Vizechorleiter die offizielle Vertretung des musikalischen Leiters eines Chors und vertritt regelmäßig den hauptverantwortlichen Chorleiter, wenn dieser verhindert ist. Er ist aber natürlich auch eine Stütze des Chorleiters, kann er doch in vielen Bereichen dem Chorleiter nach Absprache unter die Arme greifen.
Aufgaben des Vizechorleiters:
Ein Vizechorleiter ist quasi die rechte Hand des Chorleiters und kann Stimmproben oder das Einsingen leiten. Auch die Übernahme eines Dirigats bei Ständchen oder Ähnlichem sind möglich. Ebenso das Dirigat bekannter Stücke. Sollte der Stammchorleiter einmal verhindert sind, ist ein Vizechorleiter im Stande eine Probe mit Einschränkungen durchzuführen. Hier sollte das Wiederholen und Festigen des Repertoires im Mittelpunkt stehen, aber das Wichtigste daran: Es wird geübt und keine Probenphase muss ausfallen. Auf diese Aufgaben muss ein Vizechorleiter vom Chorleiter vorbereitet und unterstützt werden. Eine gute Kommunikation ist an diesem Punkt sehr wichtig.
Ausbildung zum Vizechorleiter:
Die Seminare werden von den Regionalchorverbänden des Schwäbischen Chorverbandes durchgeführt. Die Kursgestaltung richtet sich nach dem Regelwerk des Schwäbischen Chorverbandes, um zu gewährleisten, dass der Abschluss im ganzen Verbandsgebiet einheitlich ist.
Ein Vizechorleiterkurs dauert in der Regel sechs bis acht Tage. Die Unterrichtszeit beträgt hier insgesamt 20 Stunden, in denen Grundkenntnisse der Musiktheorie gelernt werden. In einem Praxisteil werden Grundlagen der Stimmbildung, Tonangabe mit der Stimmgabel oder Stimmpfeife, Schlagtechnik und vieles mehr geübt. Den Abschluss bilden eine theoretische und eine praktische Prüfung, die immer von einem Mitglied des Musikbeirats im Schwäbischen Chorverband abgenommen wird.
Die zweite Stufe der Ausbildung kann in zwei Kursen absolviert werden. Zum einen im C2-Kurs, zum anderen über das „Grundseminar Chorleitungsausbildung“.
GCA: Grundseminar Chorleitungsausbildung
Was ist GCA? Dieses Kürzel steht für „Grundseminar Chorleitungsausbildung“. Schon vor Jahren haben die Kultusverwaltung und die Amateurchorverbände erkannt, dass die musikalische Kompetenz all derer, die mit Kinderstimmen in Schule und Verein umgehen, weiterer Hilfestellungen bedarf. Deshalb richtet sich dieses musikalische Bildungsangebot sowohl an Studierende und Absolventen der Pädagogischen Hochschulen, an angehende Schulmusikstudenten, als auch an bereits praktizierende oder künftige Leiterinnen und Leitern von Kinder- und Jugendchören.
Ausbildungsinhalte:
An neun Samstagen zwischen Oktober und Januar werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Grundkompetenzen der Chorleitung ausgebildet. Inhaltlich werden hier folgenden Themen behandelt:
- Musikkunde und Gehörbildung
- Grundlegende Schlagtechnik und Probendidaktik
- Stimmbildung
- Singeleitung, Liedeinführung, Literaturerarbeitung
- Einführung in das Chorleben in Baden-Württemberg
- Singen mit Kindern
- Kinderchordidaktik
Am Ende der Ausbildung steht eine Prüfung.
C2-Ausbildung: Der Chorleitungs-Wochenlehrgang
Diese Ausbildung findet einmal im Jahr in der Osterwoche in der Akademie für musikalische Jugendbildung Trossingen statt und baut auf die Lehrinhalte der C1-Kurse auf. Inhaltlich ist sie vergleichbar mit der GCA. Nach erfolgreicher Abschlussprüfung und dem Besuch eines Ergänzungs-Moduls, erhalten die Teilnehmer-innen und Teilnehmer eine Urkunde.
C3-Ausbildung: Ausbildung zum staatlich anerkannten Chorleiter im Nebenberuf
Einmal jährlich findet der C3-Kurs statt. Voraussetzungen sind die Inhalte von C2 sowie die bestandene Aufnahmeprüfung.
Ausbildungsinhalte:
- Chorleitung: verfeinerte Schlagtechnik mit unabhängiger Führung beider Hände, Probenmethodik, Probendidaktik, Stilkunde, Werkanalyse
- Musikgeschichte: Geschichte und Stile der Chormusik, Satztechnik im Wandel der Zeit, Programmgestaltung
- Musiktheorie und Gehörbildung: erweiterte Kenntnisse der Theorie und Verfeinerung des Gehörs in allen für die Chorleitung relevanten Bereichen
- Stimme und Sprache: sicherer Umgang mit der eigenen Stimme, chorische Stimmbildung, sicherer Umgang mit der deutschen Sprache (Sprachregeln)
- Rund um den Verein: Informationen zum Chorverband, GEMA, Recht, Chorleitervertrag
Durchlässigkeit nach oben
Was das Ausbildungssystem für Chorleitung im Schwäbischen Chorverband auszeichnet sind zwei wichtige Punkte: Die Flexibilität und die Durchlässigkeit nach oben. Als Absolvent des C3-Kurses steht den Chorleitern die B-Ausbildung zum Chorleiter an der Bundesakademie Trossingen offen. Von dort aus ist der Zugang zu einen Weiterbildungsmaster-Studium an der Musikhochschule Trossingen möglich. Noch nie war es möglich durch eine Chorleitungsausbildung im Amateurbereich ohne Hochschulabschluss zu einem Universitätsabschluss zu kommen. Diese Erweiterung der Ausbildungspyramide nach oben hin ermöglicht Teilnehmern der Ausbildungen ganz neue Chancen.
Die Flexibilität:
Der Schwäbische Chorverband bietet ein durchgängiges System an, in dem man niederschwellig einsteigen und sich dann je nach Fähigkeiten, Zeit, aber auch Lust weiter entwickeln kann. Alles kann – nichts muss. Der Einstieg kann über den C1-Kurs erfolgen. Wer aber bereits über weitreichendere Qualifikationen verfügt, kann auch sofort die Aufnahmeprüfung für C2 machen und C3 anschließen, oder es eben lassen, wenn ihm C2 genügt. Mit den abgeschlossenen Ausbildungsstufen steht einem späteren Wiedereinstieg in die Ausbildungslinie auch nichts im Weg. So kann sich die Ausbildung individiuell an die jeweilige Person und auch an deren Lebenswirklichkeit anpassen.
Anerkennung durch die Kirchen
Chorleiterinnen und Chorleiter betreuen in ihrem Arbeitsfeld oft nicht nur Amateurchöre im weltlichen Bereich. Die Ausbildung zum Chorleiter duchr den SCV ist zwar auf den späteren Einsatz in weltlichen Chören ausgerichtet, aber durch die Belegung eines Erweiterungsmoduls „Gottesdienst“ wird z.B. die C3-Ausbildung als kirchliche C-Prüfung für Chorleitung von den beiden großen Kirchen anerkannt und entsprechend tariflich bezahlt..
Ein bundeseinheitliches System
Wo C-Ausbildung drauf steht, sollte auch C-Ausbildung drinnen sein. Klingt logisch, ist aber leider nicht immer so. Im Laufe der Jahre hat sich bundesweit eine große Vielfalt an Ausbildungslinien entwickelt mit unterschiedlichen Ausbildungsinhalten und Bezeichnungen. Um die Wahrnehmung der Ausbildung im Amateurchorbereich noch weiter zu erhöhen und vergleichbar zu machen, wird derzeit im Deutschen Chorverband in Zusammenarbeit mit den Bundesakademien ein bundesweit einheitliches Ausbildungskonzept entworfen – angelehnt an die Ausbildung im Schwäbischen Chorverband. Auf diese Weise ist es für Chorleiterinnen und Chorleiter, aber auch für ihre potenziellen Arbeitgeber leichter einzuschätzen, welche Fähigkeiten ihr Bewerber mitbringen sollte.
Isabelle Arnold