Der Dachverband der Amateurmusik in Baden-Württemberg wurde vor zehn Jahren gegründet.
Der Landesmusikverband Baden-Württemberg (LMV) feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Eine Dekade, in der es viele Veränderungen gab, viele Neuerungen im Bereich der Amateurmusik Einzug gehalten haben und viel erreicht wurde. Dr. Jörg Schmidt, Präsident des SCV, unterhielt sich zu diesem Thema mit dem Präsidenten des LMV, Christoph Palm:
Jörg Schmidt:
Lieber Christoph Palm, herzlich Willkommen hier in den Räumlichkeiten des Schwäbischen Chorverbandes. Wobei ihr ja selber euren
Sitz bei uns im SpOrt im Fritz-Walter-Weg 19 habt. Ich freue mich, dass du zur Verfügung stehst für ein Gespräch über den LMV, der dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Du bist seit langen Jahren der Präsident, der Vorsitzende, der Chef im Ring. Deshalb danke, dass du hier ein bisschen was erzählst über den LMV, wo kommt er her, was sind die Ziele, was ist der Weg dorthin etc. Und ich glaube, unsere Leser der SINGEN interessiert erstmal sicherlich: Wer ist jetzt eigentlich Christoph Palm?
Christoph Palm:
Das mache ich sehr gerne. Ich fühle mich hier genauso wohl wie du das offensichtlich tust, und es ist toll, dass wir persönlich jetzt wieder mehr miteinander zu tun haben. Musik war schon immer ein prägender Teil meines Lebens, von der musikalischen Früherziehung und dem Singen daheim über das Cellospiel bis hin zum Musik-Leistungskurs. Und auch als ich dann den Weg in die Politik gefunden habe, war es sowohl in der Kommune als auch im Landtag für mich immer ein Schwerpunkt, die Kultur und die Kunst zu fördern. Als ich dann im Jahr 2012 gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, beim LMV eine Rolle zu übernehmen, da musste ich nicht lange überlegen, sondern mir war klar, dass das für mich etwas Passendes ist. Die letzten fünf Jahre fand ich die Aufgabe immer sehr spannend und ich denke, dass wir zusammen einiges geschafft haben.
Jörg Schmidt:
Es ist sicher nicht ganz leicht, die doch unter Umständen divergierenden Interessen der Mitgliedsverbände unter einen Hut zu kriegen?
Christoph Palm:
Ja, der LMV besteht aus zehn Mitgliedsverbänden, die heterogen sind. Aber ich würde sagen, das ist wie bei einem mehrstimmigen Musikstück: Wir haben da zum Glück eine große Vielfalt an Stimmen und manchmal auch an Stimmungen, aber ich stelle schon fest, dass wir eine feste Basis, eine gemeinsame Partitur haben. Das heißt, ein Grundkonsens ist vorhanden, sowohl darüber dass man sich braucht, als auch dass man sich mag und schätzt. Und wenn ab und zu mal unterschiedliche Meinungen da sind, dann ist das so, wie es eigentlich in jedem Verband und in jeder Familie ist. Wichtig ist, glaube ich, dass man nach außen hin dieses einheitliche Bild lebt, und da kann ich mich wahrlich nicht beschweren.
Jörg Schmidt:
War das auch die Motivation zur Gründung des LMV und wer hat das damals in die Hand genommen?
Christoph Palm:
Also ich war am Anfang ja nicht unmittelbar dabei, aber so wie es mir erzählt wurde, gab es zunächst mal eine Arbeitsgemeinschaft der Laienmusikjugend. Die hatte ihren Ursprung im Kultusministerium – damals war ja die „Laienmusik“ dort angesiedelt. Und da haben verschiedene Personen dann die Idee in die Amateurmusiklandschaft geworfen, einen Verband zu gründen. Man kannte sich natürlich schon viel länger und es gab auch immer wieder Versuche, die Institutionen stärker miteinander zu verknüpfen, aber ich denke, der LMV ist – wenn man die Situation in unserem Bundesland kennt – eigentlich eine ideale Institution. Fusion und Aufgabe von verbandlicher Individualität ist immer eine schwierige Sache, und durch das Dach LMV ist der Spagat zwischen möglichst viel Autonomie auf der einen und einem gemeinsamen Sprachrohr auf der anderen Seite gut gelungen.
Jörg Schmidt:
Aber es ist ja „nur“ der Amateur- oder Laienmusikbereich. Gibt es denn auch noch ein Dach darüber mit den kirchlichen Chören, Musikensembles, dem Profibereich?
Christoph Palm:
Es gibt den Landesmusikrat, der im Grunde genommen das „Dach der Dächer“ ist, und der die Musik im gesamten Land repräsentiert. Da sind wir ja noch nicht so lange Mitglied. Ich meine, dass es richtig war, da auch als Dachverband und nicht nur mittelbar durch
die einzelnen Fachverbände, die bei uns organisiert sind, Mitglied zu sein, weil dadurch die Hierarchie klar festgelegt ist. Das ist wie bei einer chinesischen Pagode: der Landesmusikrat ist das oberste Dach und dann gibt es eben weiter darunter nochmal eines und das funktioniert sehr gut. Es bedeutet natürlich, dass man miteinander reden muss. Und das gelingt sowohl von den Kommunikationsstrukturen wie aber auch von den Personen her sehr gut. Das ist nicht anders als bei uns hier: Wenn man sich schätzt, fällt es einem eben auch leichter, Dinge zu besprechen.
Jörg Schmidt:
Wenn man das nun auf einen Punkt bringen soll, was kann man sagen? „Vielfalt ist Stärke“, oder „Trotz divergierender Interessen gemeinsame Stoßrichtungen“?
Christoph Palm:
Eines unserer Ziele, das wir ja in der letzten Präsidiumsklausurtagung im November 2017 formuliert haben, ist: Wir wollen diese Vielfalt erhalten, weil dies an und für sich ein Wert ist. Es gibt auf dieser Welt, behaupte ich jetzt mal, kaum ein Stück Erde, wo die Vielfalt an musiktreibenden Vereinen so groß ist wie bei uns. Für Deutschland kann man das ganz sicher sagen und statistisch feststellen, aber die Kulturwissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe, kennen auch weltweit keine vergleichbare Situation. Und deshalb versuchen wir weiterhin, von den Kleinsten, den Hackbrettspielern, bis zu den Großen, zu denen natürlich auch der SCV gehört, diese Vielfalt zu erhalten und auch möglichst viel Autonomie in den einzelnen Verbänden zu belassen.
Jörg Schmidt:
Und was sind die konkreten Erfolge des LMV?
Christoph Palm:
Ein großer Erfolg, der aber am wenigsten konkret ist, ist, dass es tatsächlich immer mehr ein gemeinsames Bewusstsein gibt. In früheren Zeiten war es in der Gesellschaft und in der Politik gesetzt, dass Musik einen Wert hat. Da musste man gar nicht groß dafür werben oder argumentieren. Das war einfach klar. Diese Zeiten sind vorbei. Wenn man glaubwürdig und mit Durchschlagskraft in der Politik und in der Gesellschaft etwas bewirken will, muss man sich eben zusammenschließen und die Kräfte bündeln. Und das ist uns, glaube ich, in den zehn Jahren, die es den LMV gibt, gelungen. Konkret kann man natürlich unser Kompetenznetzwerk Amateurmusik nennen, durch das wir versuchen, sowohl in der Fort- wie in der Weiterbildung Effizienz zu steigern und Doppelstrukturen zu vermeiden. Zudem versuchen wir durch eine gemeinsame Internetplattform, auf der zahlreiche Informationen zu Veranstaltungsorten, Referenten sowie Akademien hinterlegt sind und auf der man sich darüber austauschen kann, denjenigen die Arbeit zu erleichtern, die im Hintergrund arbeiten. Außerdem haben wir mit den Akademien der Blasmusik, die aber keine reinen Blasmusikakademien sind, sondern von den zwei Blasmusikverbänden im Land betrieben werden, ein Pfund, mit dem wir in Zukunft wuchern können. Das sind Akademien für die Amateurmusik, vom Landtag ausdrücklich so gewünscht, und wir haben mit den beiden Partnerverbänden BVBW und BDB entsprechende Kooperationsvereinbarungen geschlossen, damit wir deutlich machen können: Jeder Verein eines Verbandes im LMV wird so gestellt wie ein Verein von BVBW oder BDB.
Jörg Schmidt:
Deinen Worten entnehme ich, dass man auch dem Verein sagen kann: Der LMV bringt für den einzelnen Bläser, für den einzelnen Sänger, für den einzelnen Streicher oder Zupfer direkt einen Mehrwert, weil der LMV deren Aktivitäten bündelt und das auch eine Stoßrichtung hinsichtlich unserer Zuschussgeber bedeutet.
Christoph Palm:
Genau. Wir haben nicht den Anspruch, über die Fachverbände in die Vereine hineinzuregieren, sondern wir hören zu, wir nehmen auf, wir entwickeln Dinge auch gemeinsam im Präsidium, in dem ja alle vertreten sind, und wir kanalisieren das dann in Richtung Gesellschaft oder in Richtung Politik. Die Dirigenten-/ Chorleiterpauschale ist auch so ein Thema. Dass diese jetzt in einem ersten Schritt in Richtung Übungsleiterpauschale des Sports erhöht wird, ist, denke ich, auch ein gemeinsamer Erfolg, der ohne den Landesmusikverband sicher viel, viel schwieriger erreichbar gewesen wäre.
Jörg Schmidt:
Und was sind die Herausforderungen der nächsten Jahre; welche Aufgaben stellen sich für den LMV?
Christoph Palm:
Unsere Herausforderungen sind die Herausforderungen der gut 6.500 Musikvereine im Land: Nämlich die, die Zukunft zu sichern, die Qualität hoch zu halten und der Gesellschaft auch in der Form etwas zu geben, dass wir nicht nur gute Musik für uns und andere machen, sondern dass wir auch durch Dinge wie Integration und Inklusion den demografischen Wandel positiv mitgestalten.
Jörg Schmidt:
Baden-Württemberg ist ja das Musikland in Deutschland – Stichwort UNESCO, Immaterielles Kulturerbe, also auch die Anerkennung des Kulturguts Musik oder Musikmachen: Ich denke, dafür ist der LMV ein würdiger Rahmen.
Christoph Palm:
Ja, es ist ganz schön, wenn man das dann auch mal von höherer Warte bestätigt bekommt. Die Aufnahme ins deutsche Register Guter Praxisbeispiele der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes ist eine große Auszeichnung. Da wurden jetzt in der überhaupt erst zweiten Runde gerade mal sieben kulturelle Einrichtungen bzw. Ereignisse aufgenommen, und dass da die Amateurmusik in Baden-Württemberg explizit genannt wird, das motiviert, das ist schön und da darf man sich durchaus auch freuen – allerdings darf man sich nicht darauf ausruhen.
Jörg Schmidt:
Das ist eine große Aufgabe, die mit dem LMV aber sicher einen guten Rahmen hat. Euch und uns alles Gute, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, ad multos annos.
Christoph Palm:
Vielen Dank, und wir setzen natürlich auch weiterhin, nicht nur wenn es um unser Geburtstagsständchen geht, auf den Schwäbischen Chorverband. Er ist ein sehr, sehr wertvoller Partner, mit einer hauptamtlichen Geschäftsstelle, die immer wieder mit guten Ideen kommt. Dazu die ganz vielen Ehrenamtlichen – heute habe ich zufällig Alfons Scheirle auf der Straße getroffen, dem ich erzählt habe, dass wir uns hier treffen, und der gleich gesagt hat: „Ach, viele Grüße an alle! Schön, dass es so gut läuft.“ Von daher: Machen wir weiter so!
Jörg Schmidt:
Vielen Dank!