Der Reutlinger Liederkranz hat sich selbst einen Traum erfüllt. Mit einem Projektchor trat er in der berühmten Carnegie Hall in New York auf.
Einmal die Chance zu haben in der ausverkauften Carnegie Hall in New York aufzutreten, daran hatte keiner von uns Projektsängern aus Mitgliedern des Reutlinger Liederkranzes und des Gesangvereins Raidwangen mit unserem Chorleiter Thomas Preiß, jemals gedacht. Und doch ging es Anfang Dezember letzten Jahres auf diese unvergessliche Reise.
Schwaben in New York
Der Reutlinger Liederkranz 1827 e. V. ist einer der ältesten Gesangvereine in Deutschland und sorgt immer wieder für Überraschungen. Es war kein April-Scherz, als unser Chorleiter uns fragte, ob wir Lust hätten, in der Carnegie Hall aufzutreten. Der Konzertveranstalter Distinguished Concerts International LLC (DCINY) hatte ihn mit seinen Chören vor einem Jahr zu seinem 10-jährigen Jubiläumskonzert nach New York eingeladen. Für den einzigen deutschen Projektchor fanden sich 30 Sängerinnen und Sänger aus vier verschiedenen Ensembles des Reutlinger Liederkranzes im Alter von 17 bis 80 Jahren zusammen. Neun Mitglieder vom Gesangverein Raidwangen 1898 e. V. und die Vorsitzende des Bezirk Achalm im Chorverband Ludwig Uhland waren ebenfalls dabei.
International zusammen singen
Gemeinsam mit Chören aus den USA, Kanada, dem United Kingdom, Taiwan, Neuseeland und einem ebenso international zusammengestellten Orchester traten wir in der berühmten Konzerthalle auf. Präsentiert wurden die Chorfantasie und die 9. Symphonie von Beethoven. Vor dem Konzert studierten wir die Werke in Reutlingen und Raidwangen ein. Als Vorbereitung erhielten wir zusätzlich Stimmbildung. Was anfangs unmöglich schien, wurde mit der Zeit immer realistischer.
new york, New York…
Am 1. Dezember startete die weite Reise nach New York. Bunt. Das ist das Wort, das New York wohl am besten beschreibt. Seien es die unzähligen Werbereklamen oder auch die Massen von Menschen und Autos, die sich tagtäglich durch diese Großstadt kämpfen. Zwischen all den Wolkenkratzern wirkte die Carnegie Hall schon fast unscheinbar.
Doch bevor wir diese Konzerthalle betreten konnten, fand am zweiten Reisetag zunächst die erste gemeinsame Probe für alle 250 Choristen im „Grand Ballroom“ des Park Central Hotel statt. Bei dieser Probe lernten wir auch den Dirigenten Jonathan Griffith kennen. Schon bei den Aufwärm- und Einsingübungen wurde seine unvergleichliche Ausstrahlung deutlich, die uns allen sehr viel Freude bereitete. Auf sympathische, aber gleichzeitig bestimmte Art führte er uns alle zu einer Einheit zusammen.
Da die Chorliteratur komplett deutsch war, stellten wir uns darauf ein, die korrekte Aussprache erklären zu müssen. Allerdings wurden wir beim ersten Ansingen vom Gegenteil überrascht. Einzig der Buchstabe „Z“ bereitete Schwierigkeiten und so wurde durch die Bank der „Zauber“ kurzerhand zum „Sauber“ umgewandelt.
Jonathan Griffith hatte klare Vorstellungen wie die Werke klingen sollten. Teilweise unterschied sich die Art der Gestaltung davon, wie wir es Zuhause geprobt hatten, doch wir konnten diese schnell adaptieren. So beherrschte jeder Sänger plötzlich Klänge, die er vorher noch nie erzeugt hatte. Innerhalb kurzer Zeit konnten wir unsere sängerischen Qualitäten auf ein neues Niveau heben. Da vergaßen wir beinahe, dass wir Amateure sind.
Gut Vorbereitet zum Konzert
Mit einem guten Gefühl verließen wir abends das Park Central Hotel und erkundeten New York. Bei so einer Reise durfte natürlich auch das Sightseeing nicht fehlen. Da für einen Teil unserer Gruppe die Reise schon am Tag nach dem Konzert endete wurde jede freie Minute genutzt. Niemand verpasste die Möglichkeit berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Freiheitsstatue mit eigenen Augen zu bestaunen.
Am dritten Tag fand nachmittags die Generalprobe statt. Zu diesem Zweck versammelten wir uns pünktlich um 1:30 pm am Künstlereingang der Carnegie Hall. Alle Backstage-Räume hatten eines gemeinsam: Wir mussten viele Treppen steigen – teilweise bis in den 6. Stock.
Nach kurzer Zeit durften wir nach Reihen und Plätzen geordnet wieder den Weg nach unten antreten und das Isaac-Stern-Auditorium betreten, den weltbekannten großen Konzertsaal. Schon beim ersten Blick hinein stieg die Vorfreude auf den bevorstehenden Auftritt. Zeitgleich wurde aber auch der Respekt größer vor ausverkauftem Haus – also 2.600 Zuschauern – zu singen.
Bei dieser Generalprobe trafen wir zum ersten Mal auf das Orchester. Zunächst hatten wir große Schwierigkeiten uns zu hören und die Einsätze zu finden bei der unglaublichen Akustik dieses Saales. Jonathan Griffith schien allerdings zufrieden und entließ uns früher als erwartet. Etwas verunsichert begaben wir uns zurück zu unseren Unterkünften. Allerdings verflog die Zeit wie im Flug und schon standen wir wieder im Treppenhaus, nahmen Aufstellung und fieberten unserem Auftritt entgegen.
Der große Auftritt
Der Anblick der vielen Zuschauer war überwältigend. Alle warteten sie nur auf uns. Davon konnten wir uns aber nur kurz ablenken lassen, denn es ging los und das Orchester begann sein Vorspiel, das durch die Akustik der gefüllten Carnegie Hall grandios klang. Der Jetlag machte sich an dieser Stelle immer stärker bemerkbar, aber dann waren wir auch schon dran. Mit großer Körperspannung präsentierten wir das, was wir in den vergangenen zwei Tagen gemeinsam perfektioniert hatten. Alles passte perfekt, die Einsätze klappten und die Töne saßen. Unter tobendem Jubel realisierte kaum einer der Sänger, dass dieses traumhafte Erlebnis schon zu Ende war.
Ein Erlebnis mit Nachhall
In unseren Köpfen wird dieses beeindruckende Ereignis allerdings nicht verschwinden. Für lange Zeit werden wir uns an diese Reise erinnern. Und manche werden sicher wiederkommen, in die Carnegie Hall.
Wieder auf Reisen war der Reutlinger Liederkranz Anfang April, allerdings nicht so weit weg. Zur idealen Vorbereitung auf das nächste Konzert „Rock meets Classic by RL“ am 20. Juli .2019 in der Reutlinger Stadthalle verbrachten die Chöre ein gemeinsames Probenwochenende incl. Stimmbildung in Wiesensteig. Nun gilt es in den kommenden Proben das Gelernte zu vertiefen, um dann im Juli ein tolles Konzert mit Chor, Orchester, Band, Solist und Musik von Karl Jenkins, Queen, Die Ärzte u. a. zu präsentieren.
Sandra Wickner