Eine kurze Definition
Ist heutzutage von „Kultur“ die Rede, so meint man zumeist eine „kollektive mentale Programmierung, die die Mitglieder der einen Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“1 – oder, einfacher gesagt: „ein Orientierungssystem, welches das Handeln, Fühlen, Bewerten und Denken einer Gruppe von Menschen bestimmt.“2
Die Verwendung des Begriffs „Interkultur“ ist in den letzten Jahren fast schon inflationär geworden. Doch nicht überall, wo „Interkultur“ drauf steht, ist auch Interkultur drin.
Wenn Kultur auf Kultur stößt…
… ist dies häufig zunächst eine Herausforderung für alle Beteiligten, da sie sich plötzlich mit anderen Praktiken und Werten bzw. einem anderen Handeln, Fühlen, Bewerten und Denken konfrontiert sehen.
Im wissenschaftlichen Diskurs werden drei Konzepte unterschieden, um mit dem Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen umzugehen:
Multikulturalität
In diesem Konzept geht man davon aus, dass kulturelle Gruppen sich nicht verflechten, sondern in sich geschlossen nebeneinander bestehen. Ein musikalisches Beispiel hierfür wäre ein Konzert, auf dem Musikgruppen aus verschiedenen Ländern nacheinander auftreten.
Transkulturalität
Vertreter dieses Konzepts plädieren für eine radikale Vermischung verschiedener Kulturen, so dass eine vollkommen neue, gemeinsame Kultur entsteht. Musikalisch gesehen wären wir hier bei einer Art von Weltmusik, in der kaum bestimmte Einflüsse einzelner Länder erkennbar sind, sondern die eine ganz eigene Musikrichtung darstellt.
Interkulturalität
Im Gegensatz zu den anderen beiden Konzepten beschäftigt sich das Konzept der Interkulturalität sowohl mit den Differenzen als auch mit den Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen und konzentriert sich insbesondere auf deren Überschneidungen. Die Herausforderung interkultureller Situationen liegt häufig darin, dass sie sich nicht bewusst machen, dass hier zwei verschiedene kulturelle „Orientierungssysteme“ aufeinandertreffen.
Bei einer Zusammenarbeit beispielsweise handelt dann jeder Beteiligte aus seinem eigenkulturellen Verständnis heraus und ist überzeugt, dies richtig und zielgerichtet zu tun, während das Verhalten seiner Handlungspartner für ihn keinen Sinn ergibt und/oder er es als falsch beurteilt. Damit alle Beteiligten miteinander zurechtkommen, müssen sie sich bewusst machen, dass in solch einer Überschneidungssituation ein interkulturelles Verhalten erforderlich ist, d. h., das zu einem gemeinsamen Grundkonsens gelangt werden muss, um produktiv zusammenarbeiten zu können3. Ein musikalisches Beispiel hierfür: Ein folkloristisches Musikstück von Angehörigen zweier verschiedener Kulturen, die sich z. B. auf eine bestimmte Rhythmik, Tonfolge etc. einigen müssen – im Optimalfall so, dass die typischen Klänge beider Kulturen erkennbar bleiben.
1 Hofstede, Geert (2006): Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management (Beck-Wirtschaftsberater), München: S. 521.
2 Vgl. Thomas, Alexander/ Eva-Ulrika Kinast/ Sylvia Scholl-Machl (Hrsg.) (2003): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band 1: Grundlagen und Praxisfelder, Göttingen: S. 21ff
3 Vgl. Thomas 2003 (s.o.): S. 46