Wie wichtig das Erlebnis des gemeinsamen Singens von Anfang an ist.
Das Angebot von Eltern-Kind-Kursen für das Baby- und Kleinkindalter ist ungeheuer vielfältig und die Angebote sind gefragt wie nie zuvor: Pekip, Pikler, Baby-schwimmen, Babymassage, Musikgarten, … Diese Vielzahl an Möglichkeiten lässt erste Unsicherheiten bei den Eltern entstehen, welches denn nun das passende Angebot für ihr Kind ist. Man möchte in der frühen lernsensiblen Phase nichts versäumen und möglichst noch vor dem Eintritt in die KiTa sollen schon erste soziale Kontakte und Gruppenerfahrungen gesammelt werden.
Musik ist eine wichtige Ergänzung
Trotz der in der Regel unbegründeten Sorgen um frühzeitige Bildung und ausreichend soziale Erfahrungen, kann ein musikalisches Angebot eine besonders wertvolle Ergänzung zum Erfahrungsraum im familiären Umfeld sein. Denn: Kinder lieben Musik!
Schon im Mutterleib entsteht eine besondere Beziehung zu den Klängen, denn das Ohr ist im fünften Schwangerschaftsmonat das erste voll ausgebildete Sinnesorgan des Embryos. Ein Klangbett aus Herzschlag, Verdauungsgeräuschen, Atmung, Mutterstimme und Blutfluss verschafft ihm ein Gefühl der Geborgenheit. Der Mutterstimme kommt dabei eine Sonderstellung zu, denn durch sie kommt die erste Mutter-Kind-Beziehung zustande und ihr Klang bildet eine Brücke zwischen vor- und nachgeburtlicher Zeit.
Nach solch einem „musikalischen“ Start ins Leben ist es nicht verwunderlich, dass das Neugeborene schon bald selbst zum Klangerzeuger wird: Brabbelnd, gurrend und juchzend wird die eigene Stimme erkundet, wobei sich die Anfänge des Sprechens und des Singens vorerst decken. Damit sich das Kind die Welt des Singens aber in gleicher Weise weiter erschließen kann, wie die des Sprechens, ist es notwendig, dass die Eltern es in seinem stimmlichen Spiel bestärken und anregen. Dazu gehört das Nachahmen von Lauten genauso, wie das vorbildhafte Nutzen der Stimme beim Singen oder in der spielerischen Kommunikation.
Singen gehört nicht zu jeder Elternbiographie
Doch längst nicht allen Eltern ist ein unbefangener Zugang zu ihrer Stimme geschenkt. Allzu oft trifft man auf Erwachsene, die in ihrer persönlichen Biografie nur wenig Raum und Anregung für ihre stimmliche Entfaltung erhalten oder nachhaltig negative Erlebnisse mit ihrer Stimme gemacht haben. Dann fehlt das nötige Repertoire an Liedern oder sogar der Mut, die eigene Singstimme überhaupt einzusetzen.
Das Eltern-Kind-Singen kann hier wertvolle Unterstützung leisten, denn die Stimme kann im Schutz der Gruppe ausprobiert sowie spielend leicht das Liedrepertoire aufgefrischt und für den Hausgebrauch erweitert werden. Zusätzlich wird die Eltern-Kind-Bindung gestärkt, können erste soziale Gruppenerfahrungen gemacht werden und durch die ganzheitliche Betrachtung des kindlichen Musikerlebens wird die gesunde Entwicklung des Kindes positiv unterstützt.
Die variantenreiche Ausgestaltung der Lieder und Verse am Platz oder in der Großbewegung im Raum, das Musizieren mit Instrumenten und das Spiel mit klingenden oder bewegungsanregenden Materialien wird dem Bedürfnis der Kinder nach Bewegung und ganzheitlichem Erleben mit allen Sinnen gerecht und es entstehen wertvolle Transfereffekte u. a. auf die Entwicklung von Persönlichkeit und Sprache. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg sind dabei viele Wiederholungen und wenig Veränderung in der Struktur des Kursablaufes. Das gibt den Kindern Orientierung in Raum und Zeit und die Möglichkeit, sich einen Liedschatz anzueignen und zu festigen.
Alles basiert auf Freiwilligkeit
Bei all dem sollte das Mitsingen oder aktive Mitmachen der Kleinkinder niemals forciert werden, denn das würde deren unbefangenen Zugang zur Musik beeinträchtigen. Ein Eltern-Kind-Kurs bietet eine große Fülle an Reizen und Kinder benötigen Zeit, sich in der Gruppe zurecht zu finden, Abläufe kennenzulernen und die für sie hochkomplexen Inhalte zu verarbeiten. Durch ihre unterschiedliche Art darauf zu reagieren, kann es sein, dass ein Kinder anfangs nur auf Mamas Schoß zusehen will, ein anderes Kind lieber im Stehen und aus sicherem Abstand teilnimmt und ein Drittes mit großer Begeisterung mitmacht. Dieses Spektrum an Verhaltensweisen ist normal und es lohnt sich auch, bei den zurückhaltenden Kindern Durchhaltevermögen zu zeigen, denn in der Regel sind sie nicht uninteressiert, sondern es muss lediglich Sicherheit gewonnen werden. Anders verhält es sich allerdings, wenn ein Kind bereits den ganzen Tag in der Krippe verbracht hat. Dann ist es womöglich nicht mehr in der Lage, direkt im Anschluss noch mehr aufzunehmen und der Stress steht für alle Beteiligten im Vordergrund. In diesem Fall sollte man nach Alternativen suchen, wie z. B. einem Kita-freien Vormittag mit Kursbesuch oder einem gemeinsamen Eltern-Kind-Singen in der Krippe mit den aktuellen Liedern aus dem Morgenkreis.
Ansonsten gilt: Dran bleiben! Eltern-Kind-Kurse kann man frühestens ab dem dritten Lebensmonat bis mindestens zum dritten, besser noch bis zum vierten Lebensjahr des Kindes besuchen. Ich plädiere dafür, die Kinder so lange wie möglich zu begleiten, da Kinder und Eltern sehr von der gemeinsamen Zeit und den verbindenden Erlebnissen profitieren, wenn sich beide Seiten wohl fühlen und gleichermaßen von den Inhalten angesprochen werden.
Das zu garantieren, zählt neben einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen, musikalischer Vorbildung, fachlicher Kompetenz, pädagogischem Geschick und Begeisterungsfähigkeit zu einer der wichtigsten Anforderungen an die Kursleitung. Neben diesen Qualitätsmerkmalen sollte der Kurs durch abwechslungsreiche Elemente gestaltet sein und die Lieder in einer kindgerechten Tonlage, mit angenehm klingender Singstimme vorgetragen werden.
Wo finden Kurse statt?
Gut geführte Kurse kann man in Vereinen, privaten und öffentlichen Musikschulen, Kirchengemeinden, Familienbildungsstätten, Hebammenpraxen usw. finden. Nachwuchsarbeit wird inzwischen zwar beinahe überall als wichtig angesehen, doch leider ist die Qualität der Kurse nicht immer angemessen und Kursbezeichnungen wie Eltern-Kind-Singen, Zwergenmusik, Musikgarten u. a. sagen meist wenig über den Inhalt aus. Hier empfehle ich sehr, sich im Rahmen einer Schnupperstunde ein Bild zu machen und neben den genannten Qualitätsmerkmalen auf das eigene Bauchgefühl zu achten.
Ist der passende Kurs dann gefunden, so investieren Eltern, Institutionen und Vereine nachhaltig in sich selbst und die heranwachsende Generation. Denn wenn Singen und Musizieren etwas Leichtes und Natürliches sein darf und bleiben kann, dann strahlen nicht nur die Kinderaugen, sondern wir verfügen über ein emotionales Ausdrucksmittel, das Alltag und Beziehungen aufwertet und unser Leben rundum bereichert.