Auf jeden Fall die Geltung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie.
Deren Erleichterungen laufen zum 31.08.2022 aus. Bis dahin muss eine Satzungsänderung beschlossen sein, die diese Erleichterungen auch über den 31.08.2022 hinaus als dauerhaftes Satzungsrecht weitergehen lässt.
Diese Erleichterungen habe ich bereits in der Kolumne „kurz und bündig“ vom März 2021 (Singen 03.2021, S. 18-20) im Einzelnen dargestellt. Die Erleichterungen haben es ermöglicht, dass …
… der Vorstand auch dann im Amt bliebt, wenn seine Amtsperiode abgelaufen war, aber eine Neuwahl nicht stattfinden konnte, weil eine Mitgliederversammlung aus Corona-Gründen nicht durchgeführt wurde.
… der Verein die Mitgliederversammlung während der Dauer der Corona-Einschränkungen und wegen diesen ausfallen lassen konnte bzw. auf das nächste Kalenderjahr verschieben konnte; die Handlungsfähigkeit des Vorstandes war auch nach Ablauf der Amtsperiode seiner Mitglieder gewähr-
leistet.
… die Mitgliederversammlung auch – unabhängig davon, was in der Satzung stand oder steht – eine Mitgliederversammlung als virtuelle Mitgliederversammlung durchführen konnte, also als Videokonferenz, als Hybridversammlung oder auch im schriftlichen Verfahren (diese Regelung gab es auch bisher schon, § 32 Abs. 2 BGB, allerdings mit der – maßgeblichen – Einschränkung, dass ein schriftlich gefasster Beschluss nur dann gültig ist, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu diesem Beschluss schriftlich erklärt haben. Dies wird in aller Regel bei Vereinen nicht möglich sein; eine ungültige oder nicht rechtzeitig ausgeübte Stimme führt dazu, dass der Beschluss nicht wirksam ist).
Anders die – jetzt auslaufende – Regelung des Gesetzes über Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Danach reicht es, wenn alle Mitglieder des Vereins an dem schriftlichen Beschlussverfahren beteiligt wurden und bis zu der in der Einladung gesetzten Frist mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen schriftlich (einschließlich Textform, § 126b BGB) abgegeben haben und die nach der Satzung erforderliche Mehrheit (für eine Satzungsänderung beispielsweise 2/3 der abgegebenen Stimmen) erzielt wurde.
Um ein solches schriftliches „Beschlussverfahren“ auch künftig durchführen zu können, bedarf es einer Satzungsänderung.
Eine Satzungsänderung muss bis 31. August 2022 erfolgen
Nun ist es nicht so, dass der Verein dann, wenn er die Satzungsänderung nicht vor dem 31. August 2022 beschlossen hat, dies nicht auch später tun könnte. Allerdings kann er von den Erleichterungsregelungen erst dann Gebrauch machen, wenn diese Bestandteil der Satzung geworden sind. Das gilt für alle Beschlusserleichterungen, die ich in der Kolumne März 2021 beschrieben habe. Panik und Hysterie sind also angesichts des Termins 31. August 2022 nicht angebracht! Wenn ein Verein diese neuen Satzungsregelungen noch nicht in seine Satzung aufgenommen hat, ist es noch nicht zu spät.
Noch offene Fragen:
Es ist noch ungeklärt (dafür ist der „Corona-Überfall“ noch zu jung!), ob der Verein dieses 50-prozentige Quorum durch eine Satzungsbestimmung ändern, insbesondere verringern kann. Das wird die Rechtsprechung klären müssen. Es spricht aber viel dafür, dass man nicht viel unter den 50 Prozent „bleiben“ darf, um dem Gesetzeszweck des § 32 Abs. 2 BGB nicht „Gewalt anzutun“; der Grundsatz der Mitwirkung aller an einem schriftlichen Beschluss ist eine Ausnahme vom Grundsatz der mündlichen und persönlichen Beteiligung an der Abstimmung.
Auf jeden Fall kann eine Ergänzung der Satzung in diesem Punkt das Vereinsleben erleichtern, insbesondere wenn der Verein zahlreiche ältere und alte Mitglieder hat.
Es wurde schon gesagt: wenn der Vorstand bis zur Neuwahl im Amt bleibt, auch wenn seine Amtsperiode abgelaufen ist, wenn also diese gesetzliche, jetzt auslaufende Regelung in Satzungsrecht übernommen worden ist, bedeutet das zweierlei: Vorstandshandeln von nicht mehr im Amt befindlichen Vorstandsmitgliedern kann nicht als rechtlich nicht legitimiert beanstandet werden. Zum anderen: wenn ein gewähltes Vorstandsmitglied seinen Rücktritt vor Ablauf seiner Amtszeit gegenüber einem Vorstandsmitglied oder gegenüber dem Vorstand erklärt, oder von der Mitgliederversammlung abberufen wird, hat dies grundsätzlich die sofortige Beendigung seiner Vorstandsstätigkeit zur Folge. Daran kann auch die Regelung „der Vorstand bleibt bis zur Neuwahl im Amt“ nichts ändern. Die Regelung ist für den Fall gedacht, dass eine solche Rücktrittserklärung oder Abberufung nicht erfolgt ist, die Wahlperiode jedoch läuft oder abgelaufen ist. Zwingen kann der Verein das zurückgetretene Vorstandsmitglied nicht, im Amt zu bleiben und seine Arbeit zu tun; der Zurückgetretene kann sich allenfalls in bestimmten Konstellationen schadenersatzpflichtig machen, wenn er grundlos und zur Unzeit zurücktritt und dadurch dem Verein ein Schaden entsteht, etwa der, dass das Einzige, nach § 26 BGB vertretungsberechtigte, verbliebene Vorstandsmitglied zurücktritt und das Amtsgericht deshalb einen Notvorstand nach § 59 BGB bestellt, was mit erheblichen Kosten durch Bestellung eines „professionellen Notvorstandes“ verbunden sein kann. Das Berliner Kammergericht berechnet nämlich grundsätzlich die Amtszeit eines Vorstandsmitgliedes „taggenau“, KG, 25W 28/11! Nach Ablauf der Amtszeit ist eine Beschlussfassung im Vorstand für das betroffene Mitglied nicht mehr möglich.
Empfehlung also:
Nehmen Sie unbedingt eine „Fortgeltungsklausel“ im hier vorgeschlagenen Sinne in Ihre Satzung auf.
Zu den Übrigen alternativen Formen der Mitgliederversammlung, insbesondere zur Videokonferenz, zu Telefonkonferenzen oder Hybridveranstaltungen, hatte ich mich bereits – mit einem Formulierungsvorschlag für Ihre Satzung – in der Ausgabe 03.2021 in der Zeitschrift „Singen“ geäußert. Eine Wiederholung ist deshalb entbehrlich. Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass es sich empfiehlt, diese Regelungen auch für die Arbeit des Vorstandes in Erwägung zu ziehen. Für diesen gilt nämlich grundsätzlich im Sinne von §§ 28, 32 BGB auch der Grundsatz der persönlichen Zusammenkunft. Allerdings ist schon jetzt in vielen Satzungen und Geschäftsordnungen geregelt, dass Vorstandssitzungen mit der Zustimmung aller Vorstandsmitglieder auch telefonisch oder im schriftlichen Umlaufverfahren durchgeführt werden können. Das gilt selbstverständlich auch für die Videokonferenz oder die „Hinzuschaltung“ von Vorstandsmitgliedern bei einer Präsenz-Vorstandssitzung, beispielsweise aus dem Urlaub o. ä. Deshalb sollten die Regelungen zu alternativen Formen der Durchführung der Mitgliederversammlungen auch in entsprechender Art und Weise in der Geschäftsordnung für den Vorstand geregelt werden.
Und ein Letztes:
Wir alle hoffen, dass die zweieinhalb Jahre COVID-19-Einschränkugen auch für unser Kultur- und Vereinsleben der Vergangenheit angehören. Dennoch können Sie, wenn Sie ohnehin eine Satzungsänderung beabsichtigen, auch aufnehmen, dass eine Mitgliederversammlung einmal jährlich stattfinden soll, aber nicht muss.
Zwar hat eine ausgefallene Mitgliederversammlung – auch außerhalb der Corona-Zeit und der Sonderregelungen – keine unmittelbare Auswirkung zum Nachteil des Vereins, doch erschwert – wie Sie alle gesehen haben – eine weggefallene Mitgliederversammlung das Vereinsleben doch nicht unerheblich. Denken Sie an den Fall einer wichtigen Investition, die der Vorstand der Mitgliederversammlung unterbreiten möchte, etwa die Anschaffung eines Vereinsheims o. Ä.. Oder anstehende Ausschluss- oder Aufnahmeentscheidungen, die nach der Satzung in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fallen, können nicht getroffen werden. Jedenfalls kann man den Unmut vermeiden, der entsteht, wenn man eine anstehende Mitgliederversammlung nicht durchführt. Es gibt immer wieder kluge Vereinsmitglieder, die dem Vorstand mit Konsequenzen oder rechtlichen Maßnahmen drohen; meistens liegen diese „vereinsrechtlichen Besserwisser“ daneben und es ist gut, wenn der Vorstand sich auch hier auf der sicheren Seite weiß und gelassen reagieren kann.
Zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
Weiherstraße 6, 72213 Altensteig
Telefon: 07453 1677
Email: kanzlei@rechtsanwalt-heieck.de
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.