Choriose Wortspiele in Chornamen unterhalten uns und können helfen, mehr positive Aufmerksamkeit zu erlangen. Eine kleine Untersuchung mit Augenzwinkern
Sie sind lustig, kreativ oder genial, lassen uns den Kopf schütteln oder die Augen verdrehen. Manche versteht man nicht, bis sie einem erklärt werden. Manche sind geradezu schmerzhaft und grob, manche trivial, aber vor allem sind sie einfach überall: Wortspiele. Geht man vor die Haustür, drängen sich die „Rad-Häuser“ und „Fair-Reisebüros“ nahezu auf. Es scheint kein Wort mehr zu geben, das noch nicht den Experimenten eines kreativen Geistes ausgesetzt wurde. Die Werbung bombardiert uns mit Wortspielkreationen wie „Quäse“ und „Tech-Nick“ und nicht zuletzt trifft man sich am Abend auf ein Getränk in der „Wunder-Bar“. Ganz vorne mit dabei an der Wortspielfront sind Friseur-Salons, sie erregen längst über das Nischendasein hinaus die Aufmerksamkeit von Linguisten, Zeitungen und mittlerweile auch Musiker:innen.
Wer sich nun ertappt fühlt, der ist wohl selbst Mitglied bei den ChoryFeen, Choreley, Chorasong oder Choriosum, um nur einige Beispiele aus dem Song zu nennen. Wortspiele mit „Chor“ scheinen sich anzubieten und die Kreativität vieler Gesangsliebhaber:innen zu wecken, aber wie weit reicht die Wortspielaffinität der Chorszene wirklich? Was sind die beliebtesten Wortspiel-Begriffe und warum gibt man sich überhaupt einen solchen Namen?
Viele Chöre haben die Zeit in der Pandemie genutzt und sich dem virtuellen Format Chorvideo gewidmet. Die Chorzeit hat über 300 dieser Videos in einer All-you-can-hear-Playlist gesammelt. Die 250 beteiligten Chöre und Ensembles kommen aus allen Gegenden Deutschlands, unter ihnen sind große und kleine, professionelle und Amateur-Ensembles und repräsentieren damit einen besonders engagierten Teil der Chorszene. Werfen wir also einen Blick auf ihre Namen.
Der Trend geht zum Kreativen
Nur 33 Prozent der Ensembles verzichten auf eine kreative Namensgestaltung und heißen nach dem Motto „der Name ist Programm“, beispielsweise Mädchenchor Berlin, Unichor Dortmund oder ähnliches. Unter den restlichen 67 Prozent versammeln sich allerlei musikalische Bezüge (Bird’s Talk, Crescendo e. V., Twäng!), politische Botschaften (Frauenpower, Stay at home Choir…) und viele gutklingende Begriffe aus nichtmusikalischen Bereichen (Katze im Sack, Unduzo, Greg is Back…). Etwa ein Drittel der Chöre mit kreativem Namen haben es sich nicht nehmen lassen und ein Wortspiel eingebaut. Besonders beliebt sind dabei die Begriffe Chor (Choriosity, CHORisma, d‘acCHORd, ElChorAzón, chOHRwürmer), Vokal/ Voice (vocalipur, vocalternative, VoiceCappella, Vokalhelden), Sound (Soundabout, Sound‘n‘Soul, Sound-shake) und Ton (TonArt, Tonikum, toninfusion).
Die Ensembles Harmunichs, GeMainsam, ensemberlino vocale und Mainstimmig gehören zur eher kleinen Gruppe der Wortspiele mit Ortsangabe. Besonders hervorheben möchten wir in dieser Kate-
gorie jedoch „Abgefahren – der Bahnstadtchor“ mit einem wirklich kunstvollen Bezug zum Heidelberger Stadtteil. Während die Pandemie die Chorszene im letzten Jahr schwer getroffen hat, müssen Chor-Wortspiel-Liebhaber ob des Virusnamens ganz aus dem Häuschen gewesen sein. „Choronas“ in allen erdenklichen Variationen finden sich in der All-you-can-hear-Playlist und neben dem CHOIRona Project und dem Coro Virtual Navirus macht sich das Wortspiel-Virus auch in Songs wie „Social Distancing Queen“ oder „Ich wollt‘ ich wär‘ immun“ bemerkbar.
Die Sprachwissenschaft erklärt den Effekt eines Wortspiels durch den bewussten Bruch mit einer Sprachnorm, wodurch eine zusätzliche metasprachliche Information vermittelt wird. Wortspiele wie Die Tonfabrik oder Die Pressestimmen spielen mit der Mehrdeutigkeit eines Wortes und werden zu den Homonymien gezählt. In HardChor oder dezibelles wird wiederum ein Wortteil durch ein gleich klingendes Wort ersetzt und so eine weitere Bedeutung hinzugefügt. Man nennt das eine Homophonie. Klingt das eingesetzte Wort, wie zum Beispiel bei Beautys and the Beat oder Fred Affairs nur ähnlich, dann spricht man von einer Paronymie.
In manchen Wortspielen werden zwei Wörter mit ähnlich klingenden Wortteilen quasi verschränkt zusammengesetzt und aus Gospel und Cosmopolitan wird „Gospolitans“ oder aus Tuesday und daisies (englisch für Gänseblümchen) wird „Tuesdaysies“. Diese Wortspiele gehören zu den Portmanteaus, auch Kofferwörter genannt. Eine kleine Gruppe Chöre nutzt Großbuchstaben, um ihrem Namen eine weitere Bedeutung hinzuzufügen. So findet man beispielsweise in Sing Around The GloBe bei genauem Hinsehen die in vielen Musikstücken übliche Stimmenverteilung SATB und in einKlang liest sich sowohl der Gemeinschaftssinn als auch das akustische Ereignis.
Tradition und Neuschöpfung
Die Wortspiel-Affinität stellt eher ein neueres Phänomen dar. Unter den traditionellen Gesangvereinen, die heute noch einen großen Teil der Chorszene ausmachen, sucht man vergeblich nach Terzkeksen und Chorallen. Bestechend eindeutig und einheitlich heißen sie Männerchor 1846 Hitdorf oder Gesangsverein Frohsinn 1841 Steinbach. Entgegen der heutigen Praxis, seinem Chor einen möglichst ausgefallenen und individuellen Namen zu geben, häufen sich bei Traditionsvereinen Beinamen wie Frohsinn, Eintracht oder Harmonie. Diese Namen sind in erster Linie identitätsstiftend in Bezug auf die politischen Umstände und die Nationalbewegung im 19. Jahrhundert zu verstehen. Gemeinschaftssinn und sogenannte deut-
sche Tugenden wurden hochgehalten und sollten auch namentlich sichtbar gemacht werden. Nach dem zweiten Weltkrieg änderte sich diese Praxis. Vermehrt verbreitete sich die Jazz- und Popkultur in Deutsch-
land und mit der Etablierung moderner Medien wuchs der Drang zu individuellem kreativem Ausdruck. Das Zeitalter des Individualismus war angebrochen. Die Vermutung liegt also nahe, dass Namensgebung eng mit dem Zeitgeist verknüpft ist und somit die heutige Beliebtheit von Wortspielen in Chornamen etwas mit den aktuellen gesellschaftlichen Umständen zu tun hat.
Was will also ein Vokalensemble wie Maybebop heutzutage mit seinem Namen bezwecken, wenn es nicht gerade Unsicherheit über die eigene Stilrichtung (maybe – Bebop) ausdrücken will?
Der Name zeigt, wer wir sind
Der Name ist das Aushängeschild eines Chores. Er weckt Erwartungen bei den Zuhörenden und soll bestimmte Informationen über das Ensemble transportieren. Mit einem individuell gestalteten Namen möchte man also seine Einzigartigkeit betonen, aus der Masse der Chöre hervorstechen und möglichst im Gedächtnis hängen bleiben. Die Chorszene folgt dabei einem Trend, der sich in fast allen Lebensbereichen ausgebreitet hat. Ein Wortspiel wiederum soll zusätzlich vermitteln „Wir haben Humor, wir nehmen uns selbst nicht so ernst, mit uns kann man Spaß haben“.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Regensburger Domspatzen der einzige klassische Chor mit Wortspiel in der All-you-can-hear-Playlist ist. Eine große Mehrheit der Chöre mit kreativem Namen bewegt sich im Pop-/Jazz- und Unterhaltungsbereich oder hat zumindest ein gemischtes Repertoire. Diese Chöre wollen oft modern und jung erscheinen, ein englischer Name oder sogar ein englisches Wortspiel sind dafür beliebte Mittel. Ein gut durchdachter witziger Name kann also Sympathien und Interesse wecken, wer es jedoch übertreibt, bewirkt eventuell das genaue Gegenteil.
Ganz unabhängig davon, ob man nun wirklich einen neuen Chor gründen oder seinen alten umbenennen möchte, macht es einfach Spaß, sich in der Welt der unsingigen Wortkreationen auszutoben. Zu diesem Zweck empfehlen wir zum Schluss eine bisher unterrepräsentierte Kategorie mit großem Potenzial: das kulinarische Wortspiel. Man denke nur an die vielseitigen Möglichkeiten für den Einsatz von Kohlsorten oder eher Chorlsorten. Mit Vocaldente und Chorange wagen sich schon einige Mutige an die Grenzen des guten Geschmacks. Mit Brochorlie, Zucchorni, Chortoffel oder Brotchorb wäre man aber sicherlich der Held in der Wortspielwelt!