Manche Vorstandsmitglieder, auch Vorsitzende und Stellvertreter, die ihr Vorstandsamt lange Jahre ausgeübt haben, stehen nun nicht mehr zur Verfügung. Das mag auch daran liegen, dass sie in den vergangen drei Jahren im Amt blieben, weil das Gesetz es so vorsah. Es sollte gewährleistet bleiben, dass der Vorstand stets ordnungsgemäß besetzt ist, also eine „quasi-kommissarische“ Vorstandsbesetzung. Ansonsten hätten möglicherweise zahlreiche Notvorstände nach § 29 BGB durch die Registergerichte bestellt werden müssen, wenn durch den Ablauf der Wahlperiode eines vertretungsberechtigten Vorstandes keine ordnungsgemäße, rechtsgeschäftliche Vertretung des Vorstandes nach Außen mehr möglich gewesen wäre und dadurch den Vereinen – oder auch Gläubigern etc. – Schaden drohte. Es blieben also auch Vorstandmitglieder in großer Zahl im Amt, die eigentlich gar nicht mehr „antreten“ wollten.
Und nun, wo wieder Wahlen abgehalten werden können, stellt sich häufig heraus, dass keine Vorstandskandidaten vorhanden sind. Deshalb erhalte ich auch eine Vielzahl von Anfragen von Vereinen, wie der Verein sich in dieser Situation verhalten soll. Das sind teilweise alte Vorstände, die gedrängt werden, im Amt zu bleiben, oder die ihren Verein nicht „schutzlos“ verlassen wollen, das sind aber auch Vereinsmitglieder, die fragen, ob der Verein nun nicht aufgelöst werden muss.
Für die solchermaßen anfragenden Vereine ist – dank des SCV – „guter Rat nicht teuer“, da solche Anfragen im Rahmen der kostenlosen Erstberatung gestellt werden können.
Deshalb also: Was ist zu tun in dieser Situation?
Zunächst eine Entwarnung: Auch wenn die Satzung eine bestimmte Anzahl von Vorstandsmitgliedern vorschreibt, ist es vereinsrechtlich zwar nicht erfreulich, aber unbedenklich, wenn Vorstandsämter im Einzelfall nicht besetzt werden (können). Es hat natürlich seinen guten Grund, dass der Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht, weil auf diese Weise die Aufgaben unter den einzelnen Vorstandsmitgliedern gerecht und angemessen verteilt werden können.
Andererseits sind manche – viele – Vorstände nach der Satzung personell „üppig“ ausgestattet, sodass es in Zeiten wie dieser schwer fällt, alle Vorstandsämter neu zu besetzen, und dies wird nach drei Jahren ohne Mitgliederversammlung und Durchführung von Wahlen in sehr vielen Vereinen
so sein.
Dazu gibt es deshalb nun zwei Empfehlungen:
Die Empfehlung für die kurzfristige Vorgehensweise: Bei der Wahl bleiben einige Vorstandsämter unbesetzt. Das ist zulässig und unschädlich. Natürlich sollte die Mitgliederversammlung versuchen, so viele Vorstandsämter als möglich nachzubesetzen, damit die Aufgaben des Vereins weiterhin erfüllt werden können. Auf keinen Fall jedoch darf auf die Wahl zumindest eines vertretungsberechtigen Vorstandes verzichtet werden, der ins Vereinsregister eingetragen wird und den Verein wirksam nach außen vertreten kann. Da dieser auch erkranken oder auf längeren Auslandaufenthalt gehen können muss, sollte versucht werden, jedenfalls einen stellvertretenden Vorstand nach § 26 BGB zu bestellen. Das muss nicht der Stellvertreter sein, dass kann auch der Kassenwart oder Schatzmeister sein.
Längerfristig ist die Vereinssatzung ins Auge zu nehmen und an die neuen Verhältnisse anzupassen. Dazu gehören folgende Elemente:
Wenn nicht bereits geregelt, sollte unbedingt jedes vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied einzelvertretungsberechtigt sein. Längerfristige Empfehlung: Darüber hinaus sollte die Vorstandsbesetzung in der Satzung überprüft werden, ob sie in Art und Umfang den jetzigen Anforderungen genügt: Die Besetzung sollte also nicht größer sein als erforderlich. So kann bei-
spielsweise in vielen Vereinen auf einen Teil der Beisitzer mit Sitz und Stimme im Vorstand verzichtet werden; es ist ohnehin sinnvoll, wenn die Funktionsträger im Vorstand (Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender, Kassier, Schriftführer) im Vorstand gegenüber den Beisitzern stets die Mehrheit haben.
Ohnehin empfehlenswert ist, den Chorleiter nicht in den Vorstand aufzunehmen oder dort zu belassen, was bei der nächsten Satzungsänderung korrigiert werden kann.
Ein schlanker Vorstand also; auch das Amt des Schriftführers kann – zur Not! – gestrichen werden oder unbesetzt bleiben; langfristig sollte der Schriftführer und sein Aufgabenbereich (zu dem möglicherweise auch Datenschutz hinzugekommen ist) erhalten bleiben; jeder Wegfall eines Funktionsträgers bürdet seinen Arbeitsbereich den anderen Vorstandsmitgliedern auf.
Die Zeit der „Schrumpfung“ des Vorstandes, um ihn möglichst vollständig besetzen zu können, sollte allerdings genutzt werden, intensiv neue Vorstandsmitglieder zu gewinnen und an die anstehenden Aufgaben heranzuführen. Dazu gibt es verschiedene Hilfestellungen (wie diese Kolumne, Semi-
nare etc.) und Erleichterungen. Die Wichtigste – man kann es gerade in diesen Tagen nicht oft genug wiederholen – ist die Haftungserleichterung durch § 31a BGB, ein Vorstand haftet – von wenigen, hand-
habbaren Ausnahmen abgesehen – nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei seiner Amtsführung.
Keine Panik
Lassen Sie sich nicht durch die zahlreiche Panikmache vor allem im Internet grassierender Medien verunsichern, die bei Vorständen, die den Fehler machen, solche Pamphlete zu lesen, Hysterie erzeugen, um anschließend mit ihren Online- oder Printerzeugnissen zu „wedeln“ und ewige und traumhafte Sicherheit bei der Vereinsarbeit in Aussicht zu stellen.
Panikmache ist ohnehin ein wesentliches Element jeglicher Art von – vor allem – Internetwerbung geworden; man kann sich nur durch sehr bewussten Umgang mit diesem Medium davor schützen, von diesen allein gewinnorientierten Werbemaßnahmen beeinflusst zu werden. Diese kommen oft genug als sachliche Information daher, sind aber nichts als der – oft erfolgreiche – Versuch, Angst zu erzeugen und sich als „Retter in höchster Not“ aufzuspielen.
Die Gesetze, auch der Steuergesetzgeber, sind den Vereinen als gemeinnützigen Einrichtungen wohl gesonnen. Es besteht überhaupt kein Anlass, über das „eigene Häuschen“ in Angst zu verfallen, und deshalb auf die Bewerbung um ein Vorstandsamt zu verzichten. In meinen sicher 20 Jahren als Justiziar des Schwäbischen Chorverbandes ist mir ein solcher Fall noch nicht ein einziges Mal begegnet! (Von zwei Vorsatzfällen abgesehen)!
Manchmal liegt der Grund dafür, weshalb ein Verein Schwierigkeiten hat, seine Vorstandsämter nachzubesetzen, auch in der Schrumpfung der Mitgliederzahlen und – mehr noch – der Zahl singefähiger Mitglieder – in allen Stimmlagen. „Es lohnt sich nicht mehr“, heißt es immer wieder, was in aller Regel nicht zutrifft. Wo es aber so ist – oder zumindest so empfunden wird – sollten chor- und vereinserhaltende Strukturen geschaffen werden. Dazu gehören: Die Kooperation zwischen Vereinen, ihre Fusion oder Verschmelzung, die Gründung neuer verwaltungsarmer Strukturen.
Fusion als Chance für die Vereinszukunft
Über die Möglichkeit des Zusammengehens zweier oder mehrerer Vereine, sei es zur Erhaltung der Singfähigkeit, sei es zur Gewährleistung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Mitgliedsbeiträge), habe ich bereits wiederholt berichtet. Hier bietet sich die Fusion zu einem neuen Verein durch
Auflösung der alten Vereine und Übergang in einen Neuen oder durch Fusion nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes an.
Aber auch unter dieser – nicht ganz niedrigen – Schwelle besteht die Möglichkeit, die Vorstandsarbeit und auch die Chorarbeit zu verschlanken und zu optimieren. Immer häufiger nachgefragt wird die Beratung beim Abschluss von Kooperationsverträgen zwischen Vereinen. Das ist nachvollziehbar: Der Verein möchte seine – meist weit über 100 Jahre währende – Identität nicht preisgeben, andererseits seinen Weg in die Zukunft nicht gefährden.
Hier sind Regelungen mit überschaubarem Aufwand möglich, bei denen auch Beratungshilfe gewährt werden kann. Machen Sie davon Gebrauch.
Zum Schluss eine Anfrage aus meiner Beratungspraxis mit ungewöhnlichem Inhalt: Ein Verein wollte wissen, ob er nicht – quasi als Abteilung – unter das Dach einer gemeinnützigen GmbH „schlüpfen“ könne. Nachvollziehbares Motiv für diese Anfrage mag der Wunsch gewesen sein, im Verein „Mitgliederversammlungsbeschluss-pflichtige“ Entscheidungen im „kleinen Kreis“ des Vorstandes einer (gemeinnützigen) GmbH zu treffen. Motiv wird auch gewesen sein, den Verwaltungsaufwand des Vereinsvorstandes zu minimieren.
Nachteil einer solchen Konstruktion – mag sie auch rechtlich zulässig sein – ist, dass ein Grundprinzip der Vereinsarbeit, nämlich die Diskussion im Rahmen eines demokratischen Meinungsbildungsprozesses in der Mitgliederversammlung, durch eine Vorstandssteuerung ersetzt wird. Das wird auf Dauer auch das Miteinander im Verein insgesamt beeinträchtigen und die Mitglieder voneinander entfernen, es sein denn, es werden andere Formen der Gemeinschaft gefunden, die einen Wegfall der Mitgliederversammlung als Entscheidungsgremium kompensieren.
Das Neue muss zumindest erkennen lassen, dass es besser ist, als das Alte.
Rechtsanwalt Christian Heieck
Weiherstraße 6, 72213 Altensteig
Telefon: 07453 1677
Email: kanzlei@rechtsanwalt-heieck.de
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Aus-
künfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.