Erfahrungen aus der Praxis vom Schorndorfer Chor Stimmwerk e. V.
Was war der Auslöser für Sie und Ihren Verein, sich mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit zu beschäftigen?
Brigitte Wuttke: Das war 2020 im Rahmen der Pandemie. Wir waren der Meinung, wir müssen etwas tun und die Zeit während der Pandemie nutzen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Wir waren vor der Pandemie zwar insgesamt 70 Sängerinnen und Sänger, aber zu wenig Männer. Deshalb haben wir einen Workshop gemacht, aus dem wir auch einige interessante Impulse mitgenommen haben. Ein Impuls war beispielsweise ein Flyer, mit dem gezielt Männer angesprochen werden sollten. Dafür haben wir uns intensiv damit beschäftigt, was Männer denn eigentlich sonst machen. Außerdem haben wir viele Impulse bekommen für Öffentlichkeitsarbeit oder Corporate Identity nach innen und nach außen. Das Problem war dann aber, dass wir nicht so richtig vorangekommen sind, weil außer dem Vorstand eigentlich keiner so richtig mitgezogen hat. Und das kann nicht funktionieren, wenn das alles nur auf den Schultern des Vorstands lastet.
Wir haben dann weiter überlegt, wie wir trotzdem neue junge Mitglieder und eben besonders Männer für unseren Chor gewinnen können. Ich selbst habe früher an der Johannes-Gutenberg-Schule in Stuttgart gearbeitet, einer beruflichen Schule für Druck und Kommunikation, da gibt es ein Berufskolleg für Grafikdesign und in jedem Jahrgang wird ein Projekt durchgeführt, bei dem die Schülerinnen und Schüler sich eine Firma suchen müssen, für die sie ein Corporate Design entwickeln und nachdem ich mit unserem Anliegen auf meine ehemaligen Kollegen zugegangen bin, hat sich tatsächlich eine Schülerin dazu entschieden, ein Corporate Design zu entwickeln, das wir nun auch kaufen wollen. Inklusive Website, Briefpapier, Visitenkarten, Plakaten und Flyern. Und gerade überlegen wir uns, wie wir das ganze jetzt umsetzen wollen.
Wie waren denn die Reaktionen auf Ihre bisherigen Aktivitäten?
Helga Jäger-Blazek: Der „Lass! Raus“-Flyer zur Männerwerbung wurde jetzt aktuell verteilt, darauf haben wir zu einem Info-Abend eingeladen, der auch gestern Abend stattgefunden hat. Wir haben 500 Flyer verteilt – und ein Mann ist gekommen. Zwar sind auch fünf Frauen gekommen, aber die eigentliche Zielgruppe haben wir irgendwie nicht richtig erreicht.
Brigitte Wuttke: Der Flyer kommt gut an, die Leute finden ihn witzig. Aber ob er Männer anspricht, weiß ich nicht. Ich glaube, dass es da grundsätzlich unterschiedliche Interessen bei Männern und Frauen gibt und das Singen im Chor vielleicht nicht unbedingt zu den typischen Interessen eines Mannes gehört. Man braucht viel mehr Anlauf, um Männer tatsächlich für einen Chor zu gewinnen. Und ich glaube, dass eine einmalige Werbeaktion da einfach nicht ausreicht.
BW: Bei der Erstellung des Corporate Designs hat die Schülerin in den sozialen Medien die Leute beim Entstehungsprozess mitgenommen. Das war meiner Meinung nach ein sehr geschickter Schachzug, bei dem man auch gesehen hat, dass junge Menschen visuell auf ganz andere Dinge ansprechen als wir Älteren. Eventuell wäre das auch noch mal ein Anknüpfungspunkt für die Männerwerbung, also dass wir da einfach mal andere Kanäle ausprobieren müssen. Aber da ist uns bisher noch keine finale Lösung eingefallen.
Wie haben Sie denn bisher auf sich und Ihre Veranstaltungen aufmerksam gemacht?
BW: Wir schreiben Zeitungsartikel, bei denen wir natürlich darauf angewiesen sind, dass sie auch veröffentlicht werden. Das klappt im Großen und Ganzen auch. Unser Webmaster Wolfgang Mees stellt diese Informationen auch auf unserer Webseite und Facebook ein. Wir sind mit einigen Videos auf YouTube und für unsere Konzerte gestalten wir Plakate.
Und welches Medium ist aus Ihrer Sicht das stärkste für Sie? Wo erreichen Sie Ihre Zielgruppe am besten?
BW: Mund zu Mund-Propaganda und der persönliche Kontakt zu den Menschen funktioniert eigentlich sehr gut. Man darf aber nicht unterschätzen, dass dieser gesamte Prozess rund um Mitgliederwerbung und Öffentlichkeitsarbeit sehr langwierig und mühsam ist.
Wie schaffen Sie es denn, trotzdem am Ball zu bleiben und sich nicht entmutigen zu lassen?
HJB: Da steht und fällt ganz viel mit den Personen. Dass wir in diesem Bereich so aktiv sind, liegt vor allem an Leuten wie unserer Vorsitzenden Brigitte Wuttke, die uns immer wieder anschubst und ein guter Treiber für uns ist.
BW: Das liegt aber schon auch daran, dass wir ein gutes Team sind. Ich glaube, es gibt nicht das eine Rezept, das alle Probleme löst. Man muss alle Kanäle bespielen – vom Papier bis zu den sozialen Medien. Gerade da müssen wir noch besser werden, das ist in unserem Alter gar nicht so einfach, deshalb sind wir froh mit Wolfgang Mees jemanden zu haben, der uns hier einen Zugang schafft. Ich finde auch die Impulse von Michelle Pientka im Zuge der Entwicklung des Corporate Designs sehr hilfreich, die uns noch einmal gezeigt hat, was vor allem die jüngere Zielgruppe interessiert und anspricht.
HJB: Letztendlich gilt ja auch in unserem Bereich der Spruch: Wer nicht wirbt, der stirbt.
BW: Ja, man muss dranbleiben! Und man darf nicht glauben, dass die Leute jetzt in Scharen angelaufen kommen, nur weil man jetzt ein tolles Corporate Design hat. Man muss einen langen Atem haben. Und was ich noch ganz wichtig finde: dass man auch innerhalb des Chors eine gute Stimmung hat. Ich glaube, das läuft bei uns ganz gut. Die Leute fühlen sich mitgenommen und einbezogen – und dieses Gefühl tragen die Mitglieder dann ja auch wieder nach außen. Das ist für allem bei der Mund-zu-Mund-Werbung ein wesentlicher Faktor. Für einen Chor, in dem man selber gerne singt, weil die Atmosphäre stimmt, macht man ja auch viel lieber Werbung.
Was erhoffen Sie sich denn für die Zukunft von Ihrem Engagement im Bereich Öffentlichkeitsarbeit?
BW: Heutzutage läuft ja viel über das Sehen. Und ich würde mir wünschen, dass die Leute, die unser zukünftiges Corporate Design irgendwo sehen, sich denken: „Ach, das ist doch schön, da schau ich doch mal vorbei, ob die wirklich so modern sind, wie das hier aussieht.“ Ich glaube, dass das äußere Erscheinungsbild schon sehr wichtig ist. Wer geht denn in einen Chor, der eine schlampige Website hat, auf der keine Termine stehen?
HJB: Wir wollen dynamischer erscheinen und somit auch jüngere Menschen ansprechen! Denn das sind wir auch.
BW: Das stimmt, da müssen wir vielleicht noch einmal auf den Workshop zurückkommen, den wir 2020 gemacht haben: Da ging es auch viel um die Frage, wer wir sind und was wir transportieren wollen. Und dabei hat sich dann herausgestellt, dass unser Selbstverständnis überhaupt nicht mit dem Erscheinungsbild, das wir auf unserer Website oder mit unserem Logo transportieren, übereinstimmt. Das ist nämlich relativ statisch. Und diese Dynamik sieht man im neuen Corporate Design viel besser. Da geht es um Authentizität. Ich glaube, unser neues Erscheinungsbild drückt besser aus, was wir sind und was wir machen.
BW: Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft noch mehr auf unsere Mitglieder und deren Kompetenzen zurückgreifen können – so wie das zum Beispiel bei Wolfgang Mees war, der war Fotograf und hat Marketing gemacht.
Das neue Corporate Design wird in den kommenden Wochen umgesetzt.
Themen-Konzert „Zusammen“ am dritten Juli-Woche in der Lehenbachhalle in Winterbach
Probe dienstags 19.30 Uhr im Probenraum der Schorndorfer Musik- und Tanzvereinigung