Umweltfreundlichere Chorreisen
Klimaschutz und Reisen: Oft schwanken wir zwischen verantwortungsbewusstem Verzicht und Feel-good-Bedarf. Die schlimmen Konsequenzen der Erderwärmung sind offensichtlich, doch gleichzeitig schwärmt man von schönen Chorreisen in die Ferne. Die SINGEN hat sich darüber Gedanken gemacht, wie Konzertreisen mit ökologischem Fußabdruck Hand in Hand gehen könnten und einige Tipps und Tricks für Sie gesammelt.
Wer bereits bei der Reisevorbereitung das Bewusstsein auf die Ressourcenschonung legt, erspart sich hinterher Anpassungsarbeit. Dafür empfehlen wir, aus der Reise einen Choraustausch zu machen und bei der Organisation Kräfte zu bündeln. Für viele Aspekte ist nämlich die Kenntnis der Zielregion unabdingbar.
Vorbereitung und Partnerschaft mit anderen Chören
Vor allem wenn die Reise den Chor an einen weit entfernten Ort verschlagen soll, geht ihr oft ein Vorbereitungsbesuch voraus. Doch es ist schon zu diesem früheren Zeitpunkt möglich, auf eine Flugreise zu verzichten und einige Absprachen online zu treffen. Den Konzertsaalbesuch? Den kann sicher der örtliche Dirigent/die örtliche Dirigentin für Sie übernehmen. Außerdem hat er/sie bestimmt bereits darin musiziert und kann mehr über die Akustik sagen als das, was man beim Besichtigen des leeren Saals erahnen kann. Die Hotelauswahl? Auch diese können die lokalen Partner ohnehin besser treffen, weil sie die verschiedenen Stadtviertel, die Unterkünfte und die ÖPNV-Anbindung kennen.
Absprachen über das musikalische Programm, Einzelheiten über die Organisation und das Erstellen von Pressetexten können ebenfalls mit Online-Treffen oder Mailaustausch problemlos erfolgen. Der Partnerchor wird sich außerdem sicherlich freuen, eine kleine Sammlung an umweltfreundlichen Informationen für die reisenden Chorsänger:innen zusammenzustellen – öffentliche Trinkwasserbrunnen, die besten Restaurants mit lokalen Produkten, die Lieblingscafés…
Die Reise selbst
Zugegeben, in die USA wird kein Chor mit dem Schiff reisen. Aber innerhalb Europas ist das Zugnetz doch recht gut ausgestattet. Bei einer Chorreise ist der Weg auch ein Teil des Zieles – wieso also nicht mit dem Zug nach Südfrankreich, Ungarn oder Polen? Es klingt zuerst verrückt, aber nach Marseille, Budapest oder Warschau fahren von Stuttgart aus Zugverbindungen mit nur einem Umstieg!
Ist das Reiseziel nur mit Flugzeug zu erreichen, hilft bereits ein einfacher Gedanke, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren: Direktflüge sind umweltfreundlicher als Flugverbindungen mit Umstieg. Wenn keine Direktflüge existieren, kann die Suche nach einem anderen naheliegenden Flughafen mit einem Bahnhof Abhilfe schaffen. Von diesem Trick mit Flug und Bahn kann man in Baden-Württemberg ein Lied singen, sind doch die Flughäfen Frankfurt und München mit der Bahn nur einen Katzensprung entfernt.
Einmal am Ziel, stellt sich die Frage der Mobilität innerhalb der besuchten Stadt oder Region. Allein würde man als Tourist:in sicherlich direkt auf die Idee kommen, mit Bus und Bahn herumzufahren. Doch bei einer Gruppe kommt einem der Gedanke „Reisebus“ immer als erster in den Sinn. Reist der Chor in eine sehr ländliche Gegend, bleibt der Gruppe gegebenenfalls nichts anderes übrig, aber in Großstädten können Tages- oder Wochentickets sogar günstiger sein und bieten den Sänger:innen obendrein eine größere Flexibilität.
Für innerdeutsche Reisen könnte ein monatliches Deutschlandticket pro Sänger:in die kompletten Reisekosten abdecken: eine längere Hin- und Rückfahrt, ganz im Sinne der Entschleunigung, und ein flexibles ÖPNV-Fahren am Zielpunkt.
Unterbringung
Die Unterbringung in Familien ist vermutlich die grünere Variante der Gruppenunterkunft. Doch wirklich grün ist sie nur, wenn nicht jede Familie „ihre:n“ Sänger:in mit Privat-PKW zum Proben- oder Konzert-
ort fährt. Sobald das Reiseziel also etwas ländlicher ist, ist die Hotelalternative möglicherweise umweltfreundlicher, zudem in vielen Ländern verschiedene Zertifizierungen und Siegel wie „GreenSign“ oder „EU-Ecolabel“ die nachhaltigsten Hotels kennzeichnen.
Dort angekommen, sind schon kleine Gesten möglich: In den meisten Hotels reicht schon das Aufhängen der Handtücher, damit sie nicht automatisch täglich gewechselt werden.
Essen und Verpflegung
Wenn die Verpflegung für den ganzen Chor geplant wird, sind vegetarische Optionen aus regionalen Produkten nachweislich umweltfreundlicher. Im Restaurant wird weniger Essen verschwendet, wenn jede:r sein/ihr Gericht auswählen kann (eventuell aus einer Auswahl), als wenn alle das gleiche bekommen. Um keine Reste zu verschwenden, gehören eine Vorratsdose (und Reisebesteck) stets in den Koffer. Das spart die Einwegverpackungen, die in der Gastronomie üblich sind, ist beim Einkaufen von Obst und Gemüse praktisch und ermöglicht am ersten Tag das Mitnehmen von zubereitetem Essen aus der eigenen Küche. Und wenn wir schon beim Kofferinhalt sind:
Koffer
Wer einen Mehrwegbecher mit sich führt, spart auf einer Reise gegebenfalls viele To-go-Becher aus Pappe oder schlechtem Plastik. Das Mitnehmen einer Trinkflasche ist auch eine einfache und ökologische Geste, da das Leitungswasser in vielen Ländern bedenkenlos trinkbar ist. Im Kulturbeutel lohnt es sich, flüssiges Duschgel und Shampoo durch Seife und festes Shampoo zu ersetzen: Sie sind nicht nur ergiebiger und oft „grüner“, sondern können auch im Koffer nicht auslaufen.
Abschließend: Der leichteste Koffer ist auch der nachhaltigste! Konzertkleidung muss zwar sein, aber für Alltagskleidung gilt: je minimalistischer, desto kleiner der CO2-Verbrauch (und die Rückenschmerzen).
Es ist also möglich, eine Chorreise umweltfreundlicher zu machen. Wir haben Ihnen hier einige Werkzeuge genannt, weiteren Input finden Sie unter den folgenden Links. Ob eine weite, möglicherweise interkontinentale Gruppenreise im Jahr 2023 noch zeitgemäß ist, muss dennoch jeder Chor für sich entscheiden. Eine solche Entscheidung ist nämlich nicht anders als viele, die wir täglich treffen: Wie sehr wir unserem Planeten zuliebe unser Leben verändern, bleibt jedem Menschen selbst überlassen.
UND DIE MUSIK?
Eine Reise mit bewusstem Umgang mit den Ressourcen ist wichtig, doch auch die Musik kann dieses Thema widerspiegeln. Das „International Choral Magazine“ hat einige Werke mit Umwelt-Bezug gesammelt: https://bit.ly/sing-green
INPUT DER EUROPEAN CHORAL ASSOCIATION ZU DIESEM THEMA
Denkanstöße zum Thema Umweltschutz und Klimawandel:
https://bit.ly/ECA-Umweltschutz
Eine Strategie für einen umweltfreundlicheren Chor, Festival, Chorverband u.v.m. (auf Englisch):
https://bit.ly/Umw-ECA-Strategy