Ein Überblick über die Historie von Frauenchören
In vielen Vereinen in Deutschland sind Frauenchöre häufig aus den gemischten Chören heraus entstanden. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, als akuter Männer-Mangel herrschte, hielten die Frauen das Vereinsleben aufrecht. Dennoch wollten viele Männergesangsvereine keine Frauen in ihren Reihen, um die Pflege des reinen Männerchorgesangs zu erhalten. In einigen Fällen ein Fehler, den sie wortwörtlich mit dem Aussterben bereuen sollten. Ohne das breit angelegte Engagement der Frauen wäre die Chorszene heute bei Weitem nicht in ihrer Verfassung.
Der Beruf der Musikerin zählt mit zu den ältesten Berufen von Frauen. Dennoch hängt die Bedeutung der Frau in der Musikgeschichte eng mit ihrer Stellung in der Gesellschaft zusammen. Frauenchöre gibt es bereits seit dem Altertum. Sowohl bei den Ägyptern als auch in Assyrien und Palästina sind Frauenchöre belegt, sei es als Tempelsängerinnen oder als Chor im Rahmen eines Festes zur Ehrung eines siegreichen Königs. Auch in der Antike sind Frauenchöre in Verbindung mit Opferfesten oder als Teil eines Totengedenkens durch Abbildungen belegt, was sowohl für die Griechen, Römer, Assyrer, Juden oder Germanen gilt. Zwar gab es im frühen Christentum Gesänge mit Wechseln von Männern und Frauen, jedoch wurde der Frauengesang ab dem 4. Jahrhundert im Rahmen der Kirche zurückgedrängt, weshalb Frauenklöster zur Hauptpflegestätte des Frauengesangs wurden. Im Mittelalter gab es zudem nicht nur bedeutende Musikerinnen sondern auch Komponistinnen, wie die 810 geborene Kassia oder die wesentlich bekanntere Hildegard von Bingen. Auch der Beruf der Troubairiz, das Pendant zum Troubadour, zeigt die weibliche, weltliche musikalische Komponente des Mittealters. Im 18. Jahrhundert entstanden die Venezianischen Ospedali, eine musikalische Ausbildungsstätte für Frauen, die vierstimmigen Frauenchorgesang im Stile von Sopran, Alt, Tenor und Bass sangen. Diese Ausbildungsstätten gelten als Vorläufer der Konservatorien.
Frauen-Ensembles
Während des 18. Jahrhunderts wurden erste Schritte der Gleichberechtigung in der Musik sichtbar. Es entstanden erste Frauen-Ensembles, auch weil mehr Frauen als Männer Berufsmusikerinnen wurden.
Zur gleichen Zeit entstanden die Konservatorien inklusive Frauenabteilungen, die die Frauen aber eher für den Lehrberuf ausbilden wollten. Außerdem war Frauen nur eine bestimmte Auswahl an Instrumenten vorbehalten. Weiterhin war das 19. Jahrhundert geprägt von sogenannten „Damenkapellen“.
Die Gesangsvereine
In den im 19. Jahrhundert gegründeten Gesangsvereinen sangen – bis auf sehr wenige Ausnahmen – keine Frauen mit. Das lag am preußischen Vereinsgesetz von 1850, welches Frauen den Zugang zu politischen Vereinigungen bis 1908 untersagte. Die gemischten Chöre sind allerdings bei weitem keine Neuerfindung des 20. Jahrhunderts. Das zeigt zum Beispiel die Entwicklung von Gesangsvereinen, die aus Kirchenchören heraus entstanden. Das Ausschließen der Frau zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist also eher als Rückschritt zu sehen. In vielen Vereinen ließ sich eine systematische Verdrängung der Frauen erkennen. Es war eher so, dass der Männerchor etwas Neues darstellte, denn sowohl die 1791 gegründete Berliner Singakademie, wie auch viele Kirchenchöre, sangen gemischt. Auch der Stuttgarter Liederkranz hatte neben dem ursprünglichen gemischten Chor einen „Frauenzimmer-Chor“. Die Frauenchöre hatten zudem überaus kompetente und gebildete Chorleiterinnen.
Den „Frauenzimmer-Chor“ leitete zunächst Julie Schubart, Tochter des Dichters Christian Schubart und wenig später, 1812, Emilie Zumsteeg, Tochter von Johann Rudolf Zumsteeg, der Teil des ersten Ausschusses des Schwäbischen Sängerbundes (SSB) war. Die fehlende Emanzipation der Frauen bedingte, dass die Beteiligung der Frauen sich auf das Stiften von Preisen, die Teilnahme als Zuhörerinnen oder als Fahnennäherinnen beschränkte und die musikalische Beteiligung von Frauen als eine Besonderheit wahrgenommen wurde.
Frauen im Chor? Nein, danke!
Beim Esslinger Liederfest 1828 sangen Frauen beim Schlusschor zwar mit – auch in Frauenchören –, aber getrennt von den Männern. Ein Argument gegen gemischte Chöre war laut der Historikerin Angelika Hauser-Hauswirth, dass beim Mann sowohl die Lautstärke größer als auch der Text besser verständlich sei als bei den Frauen. In einem Artikel der „Sängerhalle“, der Zeitung des Deutschen Sängerbundes, hieß es außerdem, einen Männerchor mit einem gemischten Chor zu ersetzen, hieße, „einen Eichenwald auszuroden und an seiner Stelle eine Ziergärtnerei zu errichten“. Stattdessen sahen die Männer die Aufgabe der Frauen darin, die Leidenschaft der Männer zu teilen und sie bei ihren Vorhaben zu unterstützen, jedoch nicht, selbst politisch aktiv zu werden, um „in echter Weiblichkeit ein anspruchsloses, demütiges Wesen“ zu sein und „wie für ihre Familie, so auch für allerlei Werke edler Frauentätigkeit ganz im Stillen mit mütterlicher Sorgfalt“ zu wirken. Die Anwesenheit der Frauen als „Angehörige“ bzw. „Festdamen“ bei Vereinsfesten war deshalb gern gesehen.
Dennoch wurde Mitte des 19. Jahrhunderts das chorische Mädchensingen eingeführt, die Konzeption einer adäquaten Frauenchorbewegung wurde aber bewusst verhindert und nicht gewollt. Einzelne Frauenchöre gab es in Hamburg, Berlin, Wien und Stuttgart, aber nicht strukturell. Diese mangelnde Entwicklung der Frauenchorszene geht einher mit fehlender Literatur, die es nur vereinzelt von Franz Schubert, Eduard Grell oder Felix Mendelssohn gab. Eine Bereicherung und einen Aufschwung erhielt der Frauenchor mit Johannes Brahms, der 1859 seinen Frauenchor gründete und Literatur komponierte; es folgten Rossini, Berlioz, Liszt, Bruch, Mahler, Wolf, Pfitzner und Debussy.
Erste Veränderungen
In den 1920er- und 1930er-Jahren änderten die ersten Sängerbünde ihre konservative Haltung. In den 1920ern existierten bereits 20 reine Frauenchöre in Berlin, in den 1930ern in der Schweiz über 200. In England entstanden bereits die ersten Frauenchorverbände. Im Deutschen Arbeitersängerbund machten Frauen bis zum Ersten Weltkrieg etwa zehn Prozent der Mitglieder aus, bis 1932 waren es knapp ein Drittel. Der SSB weigerte sich schlicht, Frauen aufzunehmen und wollte weiterhin rein männlich bleiben. Die Zeit des Zweiten Weltkriegs gilt insofern den Frauen, als dass insbesondere sie es waren, die in der Heimat das Vereinsleben aufrechterhielten und mit ihrem Engagement beispielsweise Weihnachtsfeiern, Kinderfeste oder Frontgeschenke organsierten, während ihre Männer und Söhne im Krieg sterben mussten.
Neue Wege gehen
Nach 1945 fehlten Männer – entweder weil sie gefallen oder in Gefangenschaft waren – und das Vereinsleben war am Boden, auch aufgrund eines Verbots der Alliierten. Dennoch setzte sich der Trend fort: Es entstanden nicht nur gemischte Chöre, sondern vor allem auch dezidiert mehr Frauenchöre, denn aufgrund des Schwunds an Männerstimmen kamen immer mehr gemischte Chöre an ihre Grenzen. So hatte es sich auch der Schwäbische Chorverband zur Aufgabe gemacht, die Frauenstimmen mehr in den Mittelpunkt zu rücken, sei es mit der Einsetzung einer Frauenchorreferentin 1977 oder mit dem Tag der Frauenstimme. 1975 zählte der Deutsche Sängerbund 1250 Frauenchöre, 1980 bereits 1570. Auch waren mittlerweile viele Frauenensembles oder Frauenchöre aus früheren Mädchenchören entstanden. Zu renommierten deutschen Frauenchören zählen beispielsweise der „Münchner Frauenchor“, der „4×4 Frauenchor Heidelberg“, „Carré Chanté“ (Mannheim) und „Cant’Ella“ (Mönchengladbach). Jedoch fand die Frauenchorszene besonders in Skandinavien einen Schwerpunkt, sechs der zehn besten Frauenchöre der Interkultur Weltrangliste kommen aus Norwegen, Schweden und Dänemark, auch Bulgarien hat traditionell eine gute Frauenchorszene. Die deutsche gemischte Chorszene sieht sich eher einem Männermangel ausgesetzt, sei es, weil manche von sich behaupten, nicht singen zu können oder weil es unter männlichen Kindern und Jugendlichen als „uncool“ gilt. Alle Chorsänger:innen aber wissen: Singen macht glücklich und bringt Freu(n)de – am ehesten mit Mann und Frau.