Das Programm der chor.com im September setzt auf nordische Chormusik, neue methodische Ansätze, bislang Ungehörtes, internationale Spitzenensembles und Newcomer aus Deutschland
Die chor.com zieht alle zwei Jahre 2.500 Fachteilnehmende an und hat sich mit Workshops, Konzerten, Masterclasses und dem Forum zum europaweit größten Treffpunkt der Vokalszene entwickelt. Nun findet die Großveranstaltung vom 23. bis 26. September zum zweiten Mal in Hannover statt.
Der neue Künstlerische Leiter Stephan Doormann hat der chor.com 2021 ein Schwerpunktthema gegeben: die nordische Chormusik. Die Expertise dafür erwarb er, als er am Royal College of Music in Stockholm Chordirigieren studierte: „In Schweden gibt es viele gute Chöre im Laienbereich“, berichtet er. „Die Chorszene ist dort sehr durch Eric Ericson geprägt worden. Er entwickelte eine umfangreiche Chorleitungsschule mit pädagogischer Struktur, die Generationen von Chorleitern beeinflusste. Auch mit seinem Chorklang und einem Repertoire, das zeitgenössische Musik einbezog, setzte er Maßstäbe“. Folgerichtig kann man den Weltklassechor Eric Ericson Chamber Choir im Konzert auf der chor.com in Hannover erleben, außerdem weitere skandinavische Spitzenchöre wie den Mikaeli Chamber Choir, den Norwegian Soloists’ Choir, der Popchor Vocal Line und die Vocal Band Riltons Vänner. Als internationale Highlights sind außerdem die Ensembles Collegium Vocale Gent und Roomful of Teeth aus den USA dabei. Auch deutsche Newcomer wie die Alte-Musik-Ensembles Polyharmonique und I Zefirelli lassen aufhorchen.„Mein Anliegen beim Schwerpunkt nordische Musik ist: Was können wir uns von den einzelnen Ländern und Stilen abschauen? Dabei geht es auch um Fragen des Miteinanders“, so chor.com-Macher Stephan Doormann. Daher lehrt die international tätige norwegische Dirigentin Grete Pedersen mit ihrem Norwegian Soloists’ Choir in ihrer Masterclass Chorleitung als Teamarbeit zwischen DirigentIn und Chor. (Über die Masterclasses der chor.com 2021 berichtete die Chorzeit in Nr. 81, April 2021.)
Zeitgenössische Musik ist keine Nische
Auf der chor.com 2021 gibt es einzelne Themenblöcke, die sowohl in den Konzerten als auch in den Workshops erscheinen. Darunter auch die zeitgenössische Musik: „In der nordischen Chormusik ist die zeitgenössische Musik keine Nische. Sie hat nie die Verbindung zur Breite und zur Basis verloren und blieb in der Gesellschaft verankert“, sagt Stephan Doormann.
So eine Entwicklung wäre auch für Deutschland schön. Helfen kann dabei sicherlich unter anderem das Konzert „Maßgeschneidertes für Chor“ mit der Uraufführung von 16 Kompositionen für den Alltagsgebrauch. Die Audi Jugendchorakademie hat sie in enger Kommunikation mit deutschen KomponistInnen erarbeitet. Weitere Konzerte mit zeitgenössischen Elementen bestreiten der Vorchor des Mädchenchors der Sing-Akademie zu Berlin, der Kinderchor der HMTM Hannover, der Landesjugendchor NRW und der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode.
Die Komponist:innen singen ihre Werke selbst mit
Ein entscheidendes neues Angebot im Rahmen dieses Themenblocks „Neue Chormusik“ sind in diesem Jahr Angebote für KomponistInnen. Die spektakulärste Veranstaltung ist dabei vielleicht das „Voice Lab“. Junge Musik- und Kompositionsstudierende können in einer Laborsituation ihre Skizzen, Klänge und Ideen mit dem berühmten Eric Ericson Chamber Choir ausprobieren. „Beim ‚Voice Lab‘ singen die KomponistInnen mit“, erläutert Doormann das Format. Entwickelt haben es Fredrik Malmberg, Dirigent des Eric Ericson Chamber Choir, und die Komponistin Karin Rehnquist
Die Chor.com und die Pandemie
Die chor.com plant analoge Veranstaltungen mit einem Hygienekonzept, das auf den AHA-Regeln beruht. Inwiefern Tests und Impfungen ebenfalls eine Rolle spielen werden, ist noch offen. Die Konzerte werden wegen der sicher begrenzten Publikumszahl teilweise wiederholt. Auch im Forum, der Ausstellermesse mit Diskussionen und Präsentationen, wird die Zahl der BesucherInnen begrenzt. Teile des Programms sollen zusätzlich digitalisiert werden, sodass sie nach dem Kauf eines Online-Tickets erlebbar sind.
Wie man als Chor mit der Pandemie umgehen kann, beschäftigt die Chorszene sehr. Als produktives Beispiel darf der Workshop „Digital Stage“ gelten: Die „Digitale Bühne“ hat mit digital-stage.org eine neuartige Software entwickelt, die nicht nur eine digitale Lösung zum latenzarmen Musizieren in Pandemiezeiten bietet, sondern auch neue Möglichkeiten für künstlerische Formate in der Zukunft, beispielsweise überregionale und internationale Kooperationsprojekte. (Chorzeit berichtete in Nr. 75, Oktober 2020.)
Künstlerpersönlichkeiten in all ihren Facetten
„Es geht mir auch darum, Künstlerpersönlichkeiten in all ihren Facetten vorzustellen“, postuliert Doormann. Gut sichtbar wird dies am Beispiel des international gefragten schwedischen Dirigenten Anders Eby: Er bietet in seiner Masterclass ChorleiterInnen an, seine künstlerische Konzeption, sein Klangideal und seine Techniken durch die praktische Arbeit kennenzulernen. Außerdem gibt er ein Konzert mit dem Mikaeli Chamber Choir und hält zwei Reading Sessions. „Auch in die Programmplanung habe ich Erfahrene und Newcomer einbezogen“, sagt Doormann. „Diese Teilhabe hat den KünstlerInnen und mir gleichermaßen großen Spaß gemacht.“ Wir freuen uns auf die chor.com 2021, Herr Doormann.