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SINGEN 2018-03, Thema

Das Einmaleins des guten Tons

Nikolai Ott
1. März 2018
Titelbild: Nikolai Ott
Nikolai Ott

Eine augenzwinkernde Handreichung für Chorsängerinnen und Chorsänger

Liebe Leser, vielleicht kennen Sie die Situation: Sie sind neu in einem Chor und kommen erst seit kurzer Zeit zu den Proben in Ihrem neuen Chor. Viele Dinge sind neu oder werden anders gehandhabt, so dass man als Sänger schnell den Überblick verlieren kann. Auch dienstältere Chorsänger wissen oft nicht, wie Zusammenarbeit und Wettbewerb im Chor funktionieren. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen hier einige Tipps geben, wie Sie sich als Sänger im Chor besser profilieren können.

1. Tipps und Hinweise zum Umgang mit dem Vorstand und dem Chorleiter

a. Die Kommunikation mit der Leitung
Versuchen Sie den leitenden Personen immer wieder klarzumachen, was Sie vom Ensemble und der Direktion erwarten. In der Regel zeichnen sich die Leitungspositionen dadurch aus, dass sie ihre Stellen auf Grund mangelnder Bewerberzahl erhalten haben. Nur selten haben Dirigenten und Vorstände einen Überblick über die Gesamtsituation. Zögern Sie deshalb nicht, auch wiederholt Ihre Vorstellungen von Repertoire, Probenmethodik und -zeiten zu kommunizieren. Auch wenn Dirigenten es selten zugeben: sie haben mit wenigen Ausnahmen wenig Ahnung von dem, was Zuhörer und Sänger brauchen und wie sie den Chor perspektivisch und strategisch weiterzubringen.

b. Die Mitgliederversammlung
Die Mitgliederversammlung ist das zentrale Organ der Formulierung von Befindlichkeiten. Vor allem, wenn Journalisten und externe Besucher dabei sind, sollten Sie die Gelegenheit nutzen, die Defizite des Vereins minutiös vorzutragen. Machen Sie sich nicht die Mühe, Ihre wahrscheinlich hoch angebrachten Verbesserungsvorschläge vorher zu kommunizieren, da die Vorstandschaft in der Zeit vor einer Mitgliederversammlung mit dem Abfassen ihrer Berichte beschäftigt ist und keine Kapazitäten frei haben, sich über Ihre Vorschläge Gedanken zu machen.

2. Die Chorprobe

a. Das Material
Für eine gelungene Chorprobe sollten Sie folgende Materialien bereithalten:

  • eine alte Baumwolltasche
  • KEINEN! Bleistift
  • einen dicken, neongelben Textmarker
  • Glasflaschen (wichtig wegen Bruch- und Umfallgeräuschen)
  • Strick- oder Häkelutensilien
  • Handy mit möglichst individuellem Klingelton

Diese Dinge sind immanent wichtig. Die Baumwolltasche kennzeichnet Sie schon auf dem Weg zur Probe als Chorsänger. Außerdem kann die Tasche geschickt auf den Boden gelegt werden, um unliebsame Sänger aus anderen, weniger wichtigen Stimmen (z. B. Tenöre oder Bässe) final zu eliminieren. Sie dient darüber hinaus der Aufbewahrung der Noten unter der Woche. Holen Sie ihre Noten zu Beginn der Probe heraus (das muss halt sein…) und stecken Sie sie danach wieder hinein. So sind sie für die restliche Woche aus Ihrem Sinn. Die Tasche lassen Sie entweder im Hausflur oder gleich im Auto oder sogar im Probenlokal liegen, sodass Sie sich zwischen den Proben nicht mit dem Inhalt belasten müssen. Bleistifte werden von frontal vorne immer wieder gerne angemahnt, allerdings sollten Sie das nicht auf sich projizieren. Eintragungen ins Notenmaterial sind nur dann nötig, wenn demente und senile Sänger wirklich nicht mehr anders können. Signalisieren Sie damit dem Chorleiter, dass Sie wirklich noch fit in der Birne sind.

Außerdem verschandeln Sie so das teuer bezahlte Material. Ein Textmarker hingegen stellt die Wichtigkeit Ihrer eigenen Stimme auch optisch heraus und ist als Aufwertung des Notenmaterials zu betrachten. Vor allem aber hilft es Ihnen, sich auf Ihre eigene Stimme zu konzentrieren und sich nicht von den anderen, viel weniger interessanten Stimmen ablenken zu lassen.

b. Der gelungene Probenbeginn

Kommen Sie nie pünktlich! Das unterminiert Ihre Position und Anerkennung im Chor. Selbst wenn Sie pünktlich wären, sollten Sie noch einige Minuten vor der Tür warten, um Ihrem Auftritt mehr Gewicht zu geben. Die Stimmbildungseinheit ist in aller Regel nur für die Schwachen. Stimmen zu nivellieren und zu homogenisieren steht in krassen Gegensatz zum sozialdarwinistischen Chorverständnis. Auch hier gilt: der Lautere überlebt. Sie machen sich dadurch unersetzlich für den Chor und unterstreichen Ihre existentielle Bedeutung. Sollten Sie tatsächlich Gründe für das Zuspätkommen, kommunizieren Sie diese niemals! Auch das schwächt Ihr Ansehen und führt dazu, dass der Chorleiter Sie womöglich ignorieren könnte, wenn Sie eintreten.

Wenn Sie nun also mit etwas Verzögerung eingetroffen sind, wählen Sie immer den kürzesten Weg zu Ihrem Stammplatz. Meist führt er direkt am Chorleiter vorbei. Geben Sie ihm immer die Hand und fragen Sie ihn nach seinem Befinden. Auch, wen die Probe schon läuft. Sie als guter Chef haben immer Zeit für ein Pläuschchen mit seinem Angestellten, lassen Sie das Ihre Chorleiter spüren! Wenn Ihr Platz belegt ist, weisen Sie die Mitsänger unbedingt darauf hin, dass Chorarbeit nur dann gut gelingen kann, wenn jeder seine Kompetenzen einhält und seine Aufgaben und Plätze kennt. Auch haben fremde Baumwolltaschen nichts an Ihrem Stuhl verloren! Sind Sie nun am Platz angekommen, begrüßen Sie die Kollegen laut und mit Handschlag. Das festigt auch in der eigenen Stimme das Ansehen. Sollte der Chorleiter das unterbinden wollen, weisen Sie ihn gerne immer wieder auf die soziale Bedeutung der Chorprobe hin.

c. Die Probe selbst

Kommen wir zum ersten Hauptstück: die Chorprobe ist Ihre Bühne! Denken Sie immer daran: Der Chorleiter hat wegen seines ungünstigen Platzes immer ein verzerrtes akustisches Bild des Ensembles. Weisen Sie ihn regelmäßig darauf hin, dass die anderen Stimmen zu laut sind und Sie mit Ihrer wichtigen Stimme untergehen. Haben Sie bitte auch Verständnis für den Chorleiter, er kann nur in den seltensten Fällen wirklich einschätzen, wie die Klangverhältnisse sind, Ihre Position lässt das viel besser zu.

Es ist vor allem wichtig, dass Sie Ihren Notentext beherrschen. Dazu wird der Chorleiter bezahlt. Auch in langen Stücken ist es wichtig, dass jede Zweiunddreißigstelnote sitzt. Sollte der Chorleiter es versäumen, Sie zuallererst zu bedienen, weisen Sie ihn umgehend und mit entsprechender Schärfe darauf hin, nur so versteht er Ihr Anliegen.

Zeigen Sie Ihre Überlegenheit nicht nur dem Chorleiter gegenüber, sondern auch den anderen Sängern. Das oftmalige Seufzen und Beschweren über die Langsamkeit der anderen Stimmgruppen unterstützt den Chorleiter in seiner Arbeit. Auch das gelegentliche Auflachen über die unnötigen Fehler der Kollegen tragen zu einem produktiven Klima bei.

Dieses Klima sollten Sie bei jeder Gelegenheit fördern, nicht nur, um die Kollegen zu besseren Leistungen anzutreiben, sondern auch, um diese zu reflektieren. Das bedeutet, dass die Leistungen immer gleich nach dem Abschlagen des Dirigenten kommentiert werden müssen. Es ist wichtig, nach jedem Durchgang/Teildurchgang die Leistung sofort zu evaluieren, das macht jedes gute Unternehmen auch! Überlassen Sie diese Reflexion nie dem Chorleiter, wie gesagt, er hat den akustisch ungünstigsten Platz!

Besprechen Sie die wichtigen Dinge gleich mit den Nachbarn auf dem kurzen Dienstweg und verlassen Sie sich nicht darauf, dass diese ebenso gut hören wie Sie selbst. Darüber hinaus tun Sie allen einen Gefallen, wenn Sie ihren Sitznachbarn korrigieren. Kommunizieren Sie das auch an den Dirigenten. Sätze wie „Frau Schmidt kann den Rhythmus in Takt 36 noch nicht“, „Petra singt da immernoch falsch“ und „Ich bin der einzige, der hier gerade ein Fis singt“ lockern die Probe auf, weil Sie die Kommunikationsrichtung der Probe ändern.

Wenn es nach mehrmaliger Aufforderung immer noch nicht klappt, schnappen Sie sich den Bleistift des schwachen Sängers und markieren Sie die Stelle, dass er zuhause üben kann.

Wenn Sie nach den ersten fünf bis maximal zehn Minuten spüren, dass ein neues Stück nicht aufgeführt werden kann, weil es (natürlich nur für die anderen Sänger) viel zu schwer ist, weisen Sie den Chorleiter darauf hin. Seit Jahrhunderten gibt es die Faustregel: in einer Chorprobe muss ein Lied komplett einstudiert werden können. Ist das Stück zu lang oder komplex, sollten vor allem Sie davon Abstand nehmen und den Chorleiter darauf hinweisen, da er meist nur darauf bedacht ist, sein künstlerisches Ego auszuleben. Das hat in Ihrem Chor keinen Platz!

d. Probenzeiten und Pausen

Für eine erfolgreiche Probenarbeit sind Pausen von zentraler Bedeutung. Weisen Sie den Dirigenten stetig darauf hin, dass er das einzuhalten hat. Auch das Ende der Probe sollte durch Sie selbst definiert werden, sonst geben Sie zu viel aus der Hand. Sie haben den Überblick, was der Chor gerade braucht. Auch dafür ist der Chorleiter in aller Regel sehr dankbar. Phrasen wie „Jetzt langt‘s mal“, „Es ist schon zwei nach zehn“ und „das ist meine Freizeit“ können Sie durch das Deuten auf die Uhr wirksam unterstreichen.

3. Der Auftritt

a. Die Generalprobe

In der Phase vor einem Konzert sollten Sie zur Höchstform auflaufen. Das geht bei der Stellprobe los. Warten Sie nicht, bis der Dirigent Sie platziert, sondern nehmen Sie auch hier das Heft in die Hand. Suchen Sie sich Ihren favorisierten Platz und beginnen Sie, Ihre Kollegen um sich herum zu platzieren. Dabei kann es sinnvoll sein, sich mit den Ellenbogen Platz zu verschaffen um befreit singen zu können. Seien Sie aber vorsichtig beim Schubsen. Zu den Seiten nach rechts und links ist es meist kein Problem, aber beim Schubsen nach vorne oder hinten könnte Ihre Frisur Schaden nehmen. Besser ist die Methode, die Kante der Notenmappe im Rückgrat des Vordermannes/der Vorderfrau zu platzieren und erst sanft, dann fester zu drücken. Metallkanten haben sich hier sehr bewährt, um die eigene Notenmappe vor Schaden zu bewahren.

Ist das Orchester endlich auch an seinem Platz, vermeiden Sie Ruhe beim Stimmen. Die meisten Instrumentalisten können sowieso nicht intonieren und schieben es oft auf ihre schlecht gestimmten Instrumente. Das sollten Sie dem Orchester immer unterschwellig mitteilen, indem Sie beim Stimmen eher in gehobener, aber nach wie vor in der Indifferenziallage angesetzter Stimme Nichtigkeiten austauschen oder den Musikern helfen. Orchestermusiker bevorzugen eher kurze Ansagen, deshalb fassen Sie sich hier einfach kurz und rufen dem entsprechenden Musiker einfache Wörter zu wie „noch höher“, „das Mundstück weiter raus“ o. Ä. zu. Zudem können Sie die Einstimmvorgänge mit Grimassen kommentieren, das spornt das Orchester an.

Auch sollten Sie bei Solistenproben oder reinen Instrumentalstücken immer mitdenken. Der Dirigent traut sich auf Grund seiner niedrigen sozialen Stellung oft nicht, Sie um Hilfe zu fragen. Machen Sie ihn ruhig darauf aufmerksam, dass die Continuo-Gruppe Ihrer Ansicht nach zu laut ist oder dass der Trompeter falsche Töne spielt.

b. Das Konzert

Das ist nun das zweite Hauptstück. Ihr großer und wichtigster Auftritt. Sorgen Sie dafür, dass Sie gut gekleidet sind. Die Kleiderordnung ist überhaupt das aller-, aller-, allerwichtigste. Klären Sie möglichst in der Generalprobe (da sind alle da und es gibt besonders viel Zeit für diese Art Dinge), wie Sie auftreten wollen. Geben Sie sich nicht mit einfachen Ansagen zufrieden. Sie brauchen bunte Schals, interessante Hochsteckfrisuren, Krawatten, Fliegen, Broschen und Accessoires in allen denkbaren Farben, um besser singen zu können, das ist aus der Empirie bewiesen. Oder haben Sie noch nicht gemerkt, dass schwarz gekleidete Chöre in der Regel viel langsamer und unsauberer singen?

Wenn Sie nun das Podest betreten, halten Sie Ihre Kollegen an, schnell zu gehen. Gestikulieren Sie und verleihen Sie ihrem Anliegen auch akustisch Gewicht. Sobald Sie an Ihrem Platz stehen, versuchen Sie, Ihre Angehörigen und bekannten Konzertbesucher darauf aufmerksam zu machen, noch schnell ein Foto zu schießen, bevor der Rücken des Chorleiters im Weg ist und Sie womöglich verdecken könnte. Auch hier können laute Rufe das Anliegen verdeutlichen.

Sollte es zu lange dauern, bis der Chorleiter aufs Podest kommt, verdeutlichen Sie auch dem Publikum Ihr Unverständnis darüber. Zucken Sie dazu zum Beispiel mit den Achseln oder blähen Sie ihre Backen, sodass auch das Publikum Ihre Unzufriedenheit teilen kann.

Wenn Sie dies alles beachten, dann haben Sie schon gewonnen:

Der Chor wird Sie nie vergessen!

Nikolai Ott

Chor, Chorleitung, Konzert, Probe, Vorstand
Das Einmaleins des guten Tons
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