Die Regelung des Satzungszweckes in der Satzung ist von herausragender Bedeutung. Er definiert einerseits Aufgabe und Ziel, welche sich seine Mitglieder bei der Vereinsgründung vorgenommen haben. Er ist zum anderen maßgebliche Grundlage dafür, dass der Verein ins Vereinsregister eingetragen werden kann und – vor allem – seine Gemeinnützigkeit festgestellt werden kann ,mit der Folge seiner steuerlichen Bevorzugung durch die Finanzverwaltung.
Jedes Vereinsmitglied, das in einen Verein eintritt, muss durch die Satzung darüber unterrichtet werden, welchen Zweck der Verein verfolgt. Darüber darf es beim eintretenden Mitglied auch gar keine Zweifel geben.
Die Satzung muss einen Satzungszweck feststellen
Um dies zu gewährleisten, muss die Satzung einen eindeutigen Satzungszweck feststellen, und dieser muss den strengen Anforderungen sowohl des Satzungsrechts als auch des Gemeinnützigkeitsrechts entsprechen. Ein Verein wird ohne genaue Angabe des Satzungszwecks überhaupt nicht ins Vereinsregister eingetragen. Erst recht wird er nicht als gemeinnützig anerkannt.
Sowohl das Vereinsregister als auch das Finanzamt verstehen bei der Formulierung des Satzungszwecks „keinen Spaß“. Das wird – ich komme gleich darauf zu sprechen – vor allem bei einer Änderung des Vereinszwecks von Bedeutung sein.
In aller Regel ist der Satzungszweck in § 2 oder § 3 einer Satzung geregelt; in der Mustersatzung auf der Homepage des Schwäbischen Chorverbandes ist es § 2. Es wird im empfohlen, bei Vereinsgründungen und Satzungsänderungen den in der Mus-
tersatzung wiedergegebenen Satzungstext zu wählen.
Die Formulierung des Satzungszwecks erfolgt in drei Stufen:
Der Obersatz ist die Förderung von Kunst und Kultur. Konkretisierend heißt es dann, dass Vereinszweck die Pflege und die Förderung des Chorgesanges ist.
Sodann wird der Satzungszweck konkretisiert durch den Hinweis auf Proben, Konzerte und musikalische Veranstaltungen in der Öffentlichkeit.
In vielen, vor allem älteren Satzungen ist dieser notwendige Satzungskern nicht oder nur unvollkommen beachtet. Häufig wird der Vereinszweck erweitert oder beschränkt oder – unser Fall – näher beschrieben. Das muss nicht, kann aber „ins Auge gehen“. Schließlich fügt mancher Verein noch seine spezifischen Konkretisierungen an.
Das OLG Düsseldorf hatte am 28. Februar 2020 (1-3 Wx 214/19) drei Verfahren „auf dem Tisch“, die zum Gegenstand hatten, ob eine Satzungsänderung zugleich eine Änderung des Vereinszwecks beinhaltet.
Natürlich ist auch eine Änderung des Vereinszwecks eine Satzungsänderung. Aber eine schwerwiegendere, grundsätzlichere. So grundsätzlich, dass § 33 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Änderung des Zwecks des Vereins durch Satzungsänderung die Zustimmung aller Mitglieder fordert. Auch diejenigen, die gar nicht anwesend sind, müssen zustimmen, nämlich schriftlich.
Für eine Satzungsänderung reichen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB drei Viertel der abgegebenen Stimmen aus.
Diese gesetzlichen Bestimmungen sind allerdings nicht zwingend, sie sind „nachgiebig“, § 40 BGB. Sie können also durch eine andere Bestimmung in der Satzung geändert werden. Hier kommt der Vorrang der Satzung vor dem BGB augenfällig zum Ausdruck. Beschließt die Mitgliederversammlung durch ihren Satzungsbeschluss, dass die Änderung des Vereinsrechts nicht von so herausragender Bedeutung sein soll, dass Einstimmigkeit verlangt wird, kann sie auch – in Grenzen – eine geringere Mehrheit ausreichen lassen, etwa drei Viertel.
Aber Vorsicht: Eine vom Registergericht akzeptierte Regelung der Änderung des Vereinszwecks bedeutet noch lange nicht, dass die Finanzverwaltung als „Hüter der Gemeinnützigkeit“ diese Änderung des Vereinszwecks akzeptieren muss. Ich komme darauf zurück.
Zu unserem Fall:
In der Satzung eines Vereins stand, dass „der Satzungszweck des Vereins verwirklicht wird insbesondere durch ideelle und finanzielle Mithilfe bei der Förderung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen …“
Der Vorstand schlug dem Verein vor, den Satzungszweck auf die finanzielle Mithilfe bei der Förderung zu beschränken. Die ideelle Förderung sollte also aus der Satzung gestrichen werden.
Die Mitgliederversammlung beschloss diese Regelung mit Mehrheit, aber nicht einstimmig. Dies beanstandete das Amtsgericht und erließ eine Zwischenverfügung des Inhalts, dass der Verein innerhalb einer gesetzten Frist dem Amtsgericht die Zustimmung aller Vereinsmitglieder zu dieser Änderung des Vereinszwecks nachweisen müsse, da es sich um eine Vereinszweckänderung handle, die nur (§ 40 BGB) mit Zustimmung aller Vereinsmitglieder beschlossen werden könne.
Dagegen setzte sich der Verein zur Wehr, worauf das Amtsgericht seine Beschwerde dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorlegte. Die Herausnahme der ideellen Mithilfe bei der Förderung neben der finanziellen aus dem Vereinszweck stelle eine grundlegende Beeinflussung der Motivation vieler Vereinsmitglieder dar, die vor allem ideelle Hilfe leisten wollten, nicht oder nur in zweiter Linie finanzielle. Dies sei eine Zweckänderung und nicht nur – wie der Verein vorgetragen hatte – eine Bestimmung zur Verwirklichung des eigentlichen Satzungszwecks.
Dieser Auffassung ist das OLG Düsseldorf nicht gefolgt. Es hat die Satzung dahin ausgelegt, dass die Streichung keine Zweckänderung darstelle und deshalb als normale Satzungsänderung zu behandeln sei. Bloße Zweckergänzungen oder Zweckbegrenzungen hat es nicht als Änderung des Satzungszwecks im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen. Maßgeblich sei, ob die bisherige Zweckrichtung des Vereins erhalten bleibe, wovon das OLG ausging.
Auch die Anpassung der bisherigen Ziele an den Wandel der Zeit und die Zweckverfolgung mit anderen Mitteln stelle keine Satzungsänderung dar; das OLG bewertete diese als „Fortschreibung“ der grundsätzlich bestehenbleibenden Zweckfestlegung auf veränderte Verhältnisse im Verein oder im gesellschaftlichen Zusammenhang. Folge: Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts war aufzuheben, die Satzungsänderung als solche (und nicht als Zweckänderung) war einzutragen. Es konnte deshalb vom Registergericht auch nicht die Einstimmigkeit der Beschlussfassung gefordert werden: Es war keine Zweckänderung.
Fazit:
Die Tendenz mancher Registergerichte, relativ leicht eine Zweckänderung anstelle einer bloßen Satzungsänderung zugrunde zu legen und die Einstimmigkeit zu fordern, wird durch diese Entscheidung nicht bestätigt. Es hat die „Latte“ für die Zweckänderung höhergelegt. Das erhöht den Satzungsspielraum der Vereine.
Die Entscheidung wurde aber auch nur deshalb erforderlich, weil der Verein in seiner Satzung keine Regelung darüber getroffen hatte, dass die Einstimmigkeit auch für den Fall der Zweckänderung nicht gelten sollte. Es hätte das nämlich tun können, § 40 BGB. Deshalb – Ähnliches gilt für die Satzungsänderung – sollten die erforderlichen Mehrheiten in § 33 Abs. 1 BGB in der Satzung ausdrücklich geregelt werden. Etwa dahin, dass zur Änderung des Vereinszwecks eine Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen der anwesenden Mitglieder erforderlich sei, für die „normale“ Satzungsänderung eine solche von zwei Dritteln. Die Erfahrung zeigt, dass einstimmige Entscheidungen bei derartigen Fragen sehr schwierig herbeizuführen sind, da die Stimme eines einzigen Vereinsmitglieds ausreicht, den Beschlussantrag zu Fall zu bringen.
Ob eine Satzungsänderung eine solche des Vereinszwecks ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. In nicht ganz seltenen Fällen – „auf hoher See und vor Gericht …“ – hat die Auslegung der Bestimmungen zum Vereinszweck in der Satzung nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt. Die oben genannte Änderung („Zur Änderung der Satzung ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Vereinsmitglieder erforderlich, für die Änderung des Satzungszwecks eine solche von drei Vierteln.“) der Satzung ist deshalb ein Beitrag zur Flexibilisierung des Vereinslebens, die guten Gewissens empfohlen werden kann.