Eine kritische Betrachtung der Reisegewohnheiten aus Sicht der Umwelt.
Der Rote Platz in Moskau, die Freiheitsstatue von New York, der Cerro Santa Lucía in Santiago de Chile, die Verbotene Stadt in China… all diese wunderbaren Orte durfte ich schon im Rahmen von Konzertreisen mit diversen Chören besuchen und bestaunen… und an all jene Orte bin ich mit dem Flugzeug gereist und habe jedes Mal dadurch ein vielfaches dessen ausgestoßen, was einem klimaverträglichen CO2-Fußabdruck entspricht. Obwohl die Reisen jedes Mal als Konzertreisen deklariert waren, dienten sie eigentlich in erster Linie als Bildungsreisen, wenn nicht sogar als Urlaub des gesamten Chores.
Natürlich macht es sich in der Biographie des eigenen Knabenchores, zurück in der Heimat, unfassbar weltmännisch, wenn man das Musizieren in allen Teilen der Welt vorweisen kann. Natürlich ist es für den Zusammenhalt in der Kantorei von unschätzbarem Wert, wenn man das gemein-
same Singen verbinden kann mit einer Bildungsreise nach Vorderasien. Natürlich ist es wichtig für einen Chor, der sich als nationales Auswahlensemble versteht, als Kulturbotschafter in anderen Ländern aufzutreten. Und trotzdem muss sich auch die Musikszene und in unserem Fall vor allem die Laienchöre und semiprofessionellen Ensembles unseres Landes fragen, welche persönlichen Konsequenzen man vollziehen muss, wenn man den menschengemachten Klimawandel noch in den Griff bekommen möchte!
Wenn im Frühjahr diesen Jahres mein eigener Hochschulchor nach Sankt Petersburg fliegen wird, werde ich zum ersten Mal auf eine Mitreise aus ökologischen Gründen verzichten. Im Vordergrund dieser Reise steht der Kulturaustausch mit dem dortigen Hochschulchor – tatsächlich gab es dazu allerdings schon die Möglichkeit, als wir von den Sänger*innen aus Russland im Januar besucht wurden.
Eine meiner ersten Konzertreisen führte mich 2013 mit dem Bus(!) in die großen Kathedralkirchen von Straßburg, Chartres und Paris. Noch heute gilt diese Reise für mich als eine der prägendsten. Für mich war es besonders lehrreich die Gemeinsamkeiten aber vor allem auch die Unter-
schiede zwischen uns und unseren Nachbarn zu erfahren. Liegt nicht im Verzicht auf Flugreisen in der Zukunft auch ein großes Gesellschaftliches Potential? Sollte es nicht in Zeiten des Brexit und eines immer noch stets negativem Narrativ über die Europäische Union in unser aller Inter-
esse liegen, sich mit unseren Nachbarn zu vernetzen und davon lernend in eine gemeinsame positive Zukunft zu blicken? Gerade wir als Kulturschaffende mit unserer so oft verklärten universalverständlichen Sprache Musik können hier einen großen Beitrag dazu leisten und so den Verzicht auf das Fliegen nicht als Einschränkung, sondern als Bereicherung begreifen.
Zum Autor:
Korbinian Krol (22 Jahre), studiert an der Musikhochschule Freiburg Kirchenmusik und Chorleitung und singt schon sein ganzes Leben in Ensembles wie dem Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart oder dem Deutschen Jugendkammerchor.