Das Altern ist das Privileg der Neuzeit. So freuen sich viele Chöre über Sänger:innen die im 3. Lebensabschnitt das Singen wiederentdecken oder intensivieren.
Auch wenn die Coronazeit durch ihre Einschränkungen einen wesentlichen Teil des Chor- und Amateurmusikwesens – das Musizieren – zum Erliegen gebracht hat, haben die Verbände im Hintergrund die Zeit genutzt, um ihre Zusammenarbeit auf ein neues Level zu bringen. Sie haben unterschiedliche Themen gemeinsam bearbeitet und vorangebracht.
Ein Chor, der ab einer bestimmten Altersgrenze seine Sänger:innen in den „Ruhestand“ verabschiedet, ist so gesehen keine ausreichend gute Sozialgemeinschaft. Darüber hinaus bringt sich ein Chor auch aktiv in die kommunale Gemeinschaft ein, z. B. bei der Fasnet, Dorffesten oder dem Adventssingen im Seniorenheim.
Ein Chor ist also eine Leistungs- und Sozialgemeinschaft, beide Aspekte gehören untrennbar zusammen. Auch wenn unterschiedliche Chöre unterschiedliche Schwerpunkte setzen, so sollte doch eine gewisse Balance gewahrt werden.
Um den Bedürfnissen der älteren Sänger:innen gerecht zu werden, sollte in der Probenarbeit Verschiedenes bedacht werden:
Gymnastische Übungen sowie Choreografien
Gerade in einem altersdurchmischten Chor sollte beim Aufwärmen und Einsingen ermöglicht werden, dass individuell diejenigen Übungen mitgemacht werden, die trotz zunehmender Einschränkung der Beweglichkeit weiterhelfen und leistbar sind. Ich sage meinen Sänger:innen: „Machen Sie da mit, wo es Ihnen gut tut“.
Choreographien müssen dies auch berücksichtigen. Wenn diese authentisch sind, findet jedes Alter seinen Platz darin! Das fantastische Miteinander verschiedener Generationen im Singen kann gut in einer Choreographie integriert werden, indem Jüngere den bewegungsintensiveren und Ältere den ruhigeren Part übernehmen.
Sicht und Brille
Ab einem gewissen Alter werden die Noten in ihrem Druckbild immer kleiner ;). Das kann entweder mit vergrößerten Noten oder mit einer Brille ausgeglichen werden. Dabei macht es Sinn, sowohl als Sänger:in als auch als Dirigent:in ein Notenblatt und eventuell den Notenständer mit zum Augenarzt oder Optiker zu nehmen, um dann situationsgerecht die Brille angepasst zu bekommen. Viele Verlage bieten mittlerweile aber auch Noten mit größerem Druckbild an oder gar Notenbücher mit einer hochwertigen Bindung, die umgeschlagen mit einer Hand gehalten werden können. Grundsätzlich überlegenswert ist die Nutzung von Notenständern für die Sänger: innen, zumindest in der Probe. Schwere Notenmappen oder Notenbücher können so ohne Verkrampfung in richtiger Höhe gehalten werden. Oft werden sonst schwere Noten-Mappen auf den Schenkel abgestellt und damit der Blick zur Chorleitung verhindert.
Je nach Größe des Chores und des Raumes könnte jede Sänger:in einen eigenen oder zu zweit einen Notenständer nutzen.
Hörgerät
Diese nützlichen Helfer haben in den letzten Jahren eine erstaunliche Wandlung erfahren. Sie sind kaum noch zu sehen und haben eine Leistungsfähigkeit, die Staunen macht. Nebengeräusche können ausgeblendet werden – es wird nur das Wesentliche verstärkt. Dabei ist für den:die Sänger:in zu berücksichtigen, dass er:sie, auch mit dem Hörgerät, die Kontrolle über seine Intonation behält. Das kann ein:e Hörgeräteakustiker:in bei der Einstellung berücksichtigen. Bei Problemen in der Chorarbeit, also zum Beispiel bei falsch intonierten Tönen einer vormals sicheren Sänger:in, sollte das von der Chorleitung offen und konstruktiv mit dem oder der Einzelnen besprochen werden.
Sitzmöbel
Viel zu wenig achten wir oft auf die richtigen Sitzmöbel in unseren Probenräumen. Ein Sitzmöbel, das „vielfältig besessen“ werden kann, hilft auch bei Haltungs- und Rückenproblemen. Für längeres Stehen beim Proben oder bei Aufführungen sind Stehstühle oder Bügelstühle wertvolle Helfer für Ältere im Chor. In den Klöstern wusste man sich diesbezüglich schon lange zu helfen: in den Chorgestühlen sind auf Steiß-Höhe kleine Stützbretter, sogenannte Miserikordien, angebracht worden, die das Stehen in den langen liturgischen Feiern erträglich machten.
Kommunikation
Kommunikation ist immer wichtig, besonders aber im Umgang mit dem:der älter werdenden Sänger:in. Wie oben ausgeführt, gibt es vielfältige Themen, die rechtzeitig angesprochen werden sollten, bevor sie zum Problem werden.
Silberstimmen
Sollte der Probenbetrieb Sänger:innen zu viel abverlangen, gibt es die Möglichkeit, für diese einen Seniorenchor anzubieten.
Auch dafür einige Tipps:
Namen
Finden Sie einen sympathischen Namen für diese Gruppe. Gute Beispiele sind hier „Spätlese“ in einer Weingegend, „Silberstimmen“, „young@heart“ (ein toller Film!), „high fossility“ mit einem Augenzwinkern. Der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Probenort & Probenzeit
Passen Sie diese der Gruppe an. Der Raum sollte gut zugänglich, warm und hell sein. Vorgezogene Probenzeiten in Verbindung mit einem Kaffee machen Sinn. Hier findet dann auch der soziale Aspekt des Chores einen seiner vielfältigen Plätze.
Literatur
Chorverlage haben sich auf diese wachsende Klientel eingestellt. Sie bieten Chornoten, die auf mehrfache Weise der älter werdenden Sänger:in angepasst sind: Noten und Texte werden größer gedruckt, die Bindung erlaubt ein vollständiges Umklappen des Einbands, damit ist ein einhändiges Halten möglich; Chorsätze werden in Schwierigkeitsgrad und Tonumfang angepasst.
Chorleitung
Die Zielstrebigkeit der Chorleitung – immer besser, immer anspruchsvoller – kehrt sich um. Gemeinsam mit und an den Sänger:innen den noch leistbaren Anspruch auszuloten, zeichnet die verantwortungsvolle Chorleitung aus. Dabei muss die gewählte Literatur nicht anspruchslos oder altmodisch sein: die Generation, die heute einen sehr aktiven Kreis von Senior:innen verkörpert, ist beispielsweise mit den Beatles groß geworden, von deren Songs es vielfältige Adaptationen für Chöre gibt.
Sehen wir in der zunehmenden Lebenserwartung und Lebensqualität im Alter eine Aufgabe und Chance für eine zeitgemäße verantwortliche Chorarbeit.