Die Chorjugend reist im Sommer mit über 50 Jugendlichen nach Italien
Anfang September geht es für die Chorjugend des Schwäbischen Chorverbands auf große Fahrt. Ziel ist die Toskana. Entstanden ist die Idee zu diesem Projekt im Rahmen des Chorjugendtages 2022. Der Gedanke dahinter: Ein Projekt von Jugendlichen für Jugendliche. Wir sprachen mit Andreas Schulz, Musikdirektor der Chorjugend über die Vorbereitungen und das geplante Programm.
SINGEN: Herr Schulz, vor kurzem war der Anmeldeschluss für die Chorjugendreise. Sind denn alle Plätze belegt?
Andreas Schulz: Nein. Wir hatten ja eine relativ große Spanne: Die Mindestteilnehmerzahl waren 50, die Obergrenze 78 und wir sind jetzt knapp über der Untergrenze, die Reise findet also auf alle Fälle statt.
Ich bin eigentlich von einer größeren und vor allem breiter gestreuten Resonanz ausgegangen. Im Großen und Ganzen konzentriert sich das auf zwei Chöre, die die meisten Teilnehmer:innen stellen, sonst haben wir nur ein paar wenige Einzelanmeldungen. Ich hatte mir erhofft, dass von deutlich mehreren verschiedenen Chören Anmeldungen kommen, schließlich gilt das Angebot für die gesamte Chorjugend im SCV. Klar, für diejenigen, die an der Reise teilnehmen, wird das eine tolle Sache, ich hätte mir dennoch eine etwas breitere Streuung gewünscht. Aber das hat man natürlich nicht in der Hand…
SINGEN: Und in welchem Alter sind die Teilnehmer:innen?
AS: Als Zielgruppe haben wir ja Sänger:innen zwischen 14 und 26 Jahren angesprochen. Tatsächlich haben sich nun Jugendliche im Alter von 14 bis 24 angemeldet.
SINGEN: Wie sieht denn das Programm vor Ort aus?
AS: Grundlegend sind zwei gemeinsame Konzerte mit einem Jugendchor vor Ort geplant. Da überlegen wir gerade, ob wir eventuell noch ein gemeinsames Stück einstudieren und dann aufführen können. Auch wenn die meiste Probenarbeit schon im Vorfeld erledigt werden sollte, werden wir auch vor Ort noch ein bisschen proben und den letzten Feinschliff machen. Und es sind natürlich einige Ausflüge – zum Beispiel ans Meer – geplant. Also alles, was eine Jugendreise ausmacht: ein bisschen was vom Land sehen, viel in der Gruppe unternehmen und natürlich auch freie Zeit gewährleisten, damit die Jugendlichen Dinge selbst erkunden können.
SINGEN: Und wie kam der Kontakt zum italienischen Chor zustande?
AS: Über das Reiseunternehmen, das die Reise plant. Tatsächlich weiß ich selbst noch gar nicht, um was für einen Chor es sich konkret handelt.
SINGEN: Wie bereitet man so eine Reise denn vor? Viel Zeit hatten Sie ja nicht…
As: Stimmt, da haben wir auch wirklich gut planen müssen (lacht). Wir haben uns deshalb einen zeitlichen Ablaufplan gemacht, den wir auch relativ gut eingehalten haben.
Natürlich war das alles ziemlich eng, aber mit einem guten Zeitmanagement ist das durchaus machbar.
Mit der Planung angefangen haben wir letztes Jahr im September. Da haben wir dann erstmal zwei grundsätzliche Fragen geklärt: Wohin und mit wem? Die zweite Frage hat sich dabei vor allem auf den Reiseveranstalter bezogen. Kurz haben wir auch überlegt, alles selbst zu organisieren, haben uns dann aber – nicht zuletzt aus Versicherungsgründen – dagegen entschieden.
SINGEN: Und warum wurde es Italien?
AS: Tatsächlich ging die Initiative für die Reise ja vom Chorjugendtag aus. Wir haben explizit darum geworben, dass sich die Jugendlichen einbringen und gesagt: Wir möchten ein Projekt mit euch zusammen für euch machen! Worauf habt ihr Lust? Davor war noch gar nicht klar, dass es überhaupt eine Reise wird. Die Jugendlichen haben sich dann aber für eine Reise in den Süden, am besten in Meer-Nähe, ausgesprochen. Und so waren auch von Anfang an Jugendliche im Planungs-Team dabei, auf deren Wünsche wir natürlich sehr genau gehört haben.
Wir haben uns von Anfang an von Reiseanbietern beraten lassen und haben so auch noch einige andere interessante Vorschläge bekommen, zum Beispiel Albanien. Das war dann am Schluss aber einfach eine Frage des Preises. Zwar hatten wir kein festes Budget, sondern das Geld aus dem Jugendförderfonds. Davon ausgehend mussten wir uns überlegt, wie günstig die Reise sein sollte, damit sie für Jugendliche attraktiv ist. Nach Albanien hätten wir fliegen müssen und das wäre für Jugendliche einfach zu teuer geworden. Und so wurde es dann letztendlich eben Italien, genauer gesagt: die Toskana. Da kommt man noch gut mit dem Bus hin, was bei einer Gruppe von über 50 Jugendlichen natürlich auch logistisch deutlich einfacher zu handeln ist.
Insgesamt haben wir bestimmt um die zehn Locations abgeklopft, darunter waren neben Italien und Albanien auch Kroatien, Frankreich, Bulgarien oder Rumänien sowie Österreich oder Südtirol. Davon waren etwa vier in der engeren Auswahl. Und im Dezember haben wir uns entschieden.
SINGEN: Was sind denn die konkreten Vorteile, wenn man mit einem Reiseunternehmen zusammenarbeitet?
AS: Ein Reiseunternehmer nimmt einem unheimlich viel Arbeit im Hintergrund ab. Er kümmert sich um die Suche nach Hotel bzw. Unterkunft, in unserem Fall auch um den Gastchor, weil wir eben auch eine Begegnung mit einem Chor vor Ort haben wollten. Er kümmert sich um die Locations, wo wir die Konzerte veranstalten können, kurz: die gesamte Organisationsarbeit. Man bekommt außerdem Vorschläge – sowohl zur Destination als auch zum Rahmenprogramm. Oft haben wir denen einfach unsere Ideen mitgeteilt und die wurden dann weiterentwickelt und zu konkreten Vorschlägen ausgearbeitet, die dann wiederum bei uns diskutiert und letztendlich entschieden wurden.
SINGEN: Wie groß ist denn das Planungsteam, das für die Chorjugendreise verantwortlich ist?
AS: Das sind um die sieben Leute: etwa die Hälfte davon kommt aus dem Chorjugendvorstand und die andere Hälfte sind Jugendliche – wobei auch im Chorjugendvorstand zwei junge Erwachsene Zielgruppe der Reise waren und in dieses Profil gepasst haben.
SINGEN: Wie sind denn die Jugendlichen zu diesem Team dazugestoßen?
AS: Das resultiert aus der Genese des Ganzen: Wir haben zum Chorjugendtag eingeladen – gerne Jugendliche –, um zu überlegen, was man mit diesem Jugendförderfonds anfangen könnte. Und an diesen anderthalb Tagen haben wir gebrainstormt und Ideen entwickelt. Das Ergebnis waren dann eigentlich zwei Ideen – die Reise war aber die, die von den anwesenden Jugendlichen favorisiert wurde. Andere Chöre hatten vertretungsweise Erwachsene geschickt, die über einen anderen Punkt nachgedacht hatten. Man hat sich dann aber dazu entschieden, die von den Jugendlichen bevorzugte Idee weiterzuverfolgen und so ist auch die Gruppe zur weiteren Planung entstanden.
SINGEN: Was verspricht man sich denn von Seiten der Chorjugend von dieser Reise?
AS: Die eigentliche Idee dahinter war ja, durch diesen Förderfond eine durchaus großzügige finanzielle Ausstattung zu nehmen und damit auch wirklich etwas für Jugendliche zu machen und sie partizipieren zu lassen. Früher wurde dieses Geld ja nach dem Gießkannenprinzip verteilt, also jeder Verein mit einem Jugendchor hat einfach 110 Euro bekommen. Das haben wir nicht unbedingt für zielführend gehalten, denn wenn ein Verein eine funktionierende Jugendarbeit macht, sind 110 Euro sowieso zu wenig. Und wenn die Jugendarbeit eher schlecht läuft – also wenn 110 Euro vielleicht interessant wären – stellt sich ebenfalls die Frage, wie sinnvoll diese Investition ist. Das wollten wir dann anders machen und haben gesagt, dass nur die Chöre, die auch Verteter:innen zum Chorjugendtag schicken, weiterhin 110 Euro bekommen. Das Geld, das die Vereine bekommen hätten, die niemanden geschickt haben, haben wir für den Förderfond verwendet, mit dem ein Projekt umgesetzt werden sollte, das sich die teilnehmenden Jugendlichen am Chorjugendtag erarbeiten.
Der Jugendvorstand macht ja viele Sachen, von denen wir denken, dass sie vielleicht gut ankommen. Aber in diesem Fall wollten wir explizit nicht selbst bestimmen oder etwas vorschlagen. Hier war uns vor allem die Partizipation der Jugend wichtig. Das war der Hauptgedanke dahinter. Unsere Vorgabe war eigentlich nur, dass das Projekt offen für alle sein muss und jede:r daran teilnehmen kann.
AS: Das sind mehrere Sachen: Grundsätzlich handelt es sich bei einer Reise immer um ein besonderes Highlight in der Chorlaufbahn, an das sich die Jugendlichen noch lange erinnern. Außerdem schweißt so eine Reise natürlich zusammen. Das ist eigentlich vor allem für bestehende Chöre interessant, aber auch für unsere Chorjugendreise eine wichtige Überlegung, immerhin knüpfen die Jugendlichen hier neue Kontakte: der Chorjugendvorstand zu den Jugendlichen, aber auch die Jugendlichen untereinander. Und Netzwerk ist ja nicht nur in der Chorszene eine wichtige Sache.
Das sind, glaube ich. die wesentlichen Punkte, was so eine Reise bringt – für die Jugendlichen selbst, für die Chorjugend allgemein und als kleiner Nebeneffekt vielleicht auch für die Außenwirkung der Chor-jugend als Organisation.
SINGEN: Soll die Chorjugendreise in Zukunft als regelmäßiges Projekt etabliert werden?
AS: Da ist momentan noch nichts angedacht. Meiner Meinung nach muss sich so etwas erst entwickeln, da kann man vermutlich nach der Reise mehr sagen. Ich bin mir sicher, dass sich irgendetwas daraus entwickelt, aber ob das nun eine weitere Reise, ein einfaches Nachtreffen, ein gemeinsames Konzertprojekt oder zwei, drei Jugendliche sind, die sich zukünftig bei der Chorjugend engagieren möchten – das lässt sich im Vorfeld schwer planen. Und ich glaube auch nicht, dass das funktioniert, wenn das von oben festgelegt wird, die Jugendlichen selbst darauf aber vielleicht gar keine Lust haben. Wir bieten mit der Reise den Rahmen, dass sich etwas entwickeln kann, aber was letztendlich daraus entsteht, das muss man auf sich zukommen lassen.
SINGEN: Was gibt es denn zu beachten, wenn man eine Reise speziell mit Jugendlichen organisiert?
AS: Grundsätzlich natürlich das Jugendrecht, also beispielsweise die Frage nach der Erlaubnis der Erziehungsberechtigten, ebenso wie das Thema Kindeswohl. Deshalb haben wir die Altersgrenze auch auf 16 – bzw. 14 mit Aufsichtsperson – festgelegt. Das wäre etwas anderes, wenn man mit einem Kinderchor verreist, wofür man dann Betreuer:innen braucht. Bei Jugendlichen reicht es, entsprechende Regelungen zu vereinbaren, was meiner Meinung nach – besonders mit singenden Jugendlichen –
auch immer sehr gut funktioniert. Ansonsten sind das eher inhaltliche Themen, ich würde beispielsweise eine Chorreise für Erwachsene ganz anders planen als für Jugendliche: Während Jugendliche vielleicht gern ans Meer fahren wollen, ist das für Erwachsene vermutlich kein herausragendes Kriterium. Jugendliche sind lieber in Drei- oder Vierbettzimmern untergebracht, Erwachsene lieber in Einzel- oder Doppelzimmern.
SINGEN: Was sind die nächsten Schritte, wann beginnt die Probenarbeit?
AS: Die Probenarbeit startet relativ individuell. In unserer ursprünglichen Planung haben wir ja angeboten, dass die Teilnehmer:innen zu einem Basis-Chor dazukommen und da mitproben können. Tatsächlich sind die Rückmeldungen bei der Anmeldung nun aber eher so ausgefallen, dass sich die meisten selbst vorbereiten wollen. Dafür wollen wir nun noch Begleitmaterial zur Verfügung stellen und am 17. Juni findet dann eine Gesamtprobe statt.
SINGEN: Und welches Repertoire haben Sie für die Reise ausgewählt?
AS: Auch da haben wir die Jugendlichen entscheiden lassen. Ich selbst habe von einem großen klassischen Werk – vielleicht sogar mit Orchester – geträumt, aber das wollten die Jugendlichen nicht. Sie wollten eher in Richtung Pop, Rock, Musical. Dementsprechend besteht unser Programm jetzt aus einer Mischung einiger Musical-Nummern wie „La La Land“ oder „Aladdin“, ein paar Popsongs wie „Viva la Vida“ von Coldplay oder „Easy on me“ von Adele und dem neuesten Bond-Song von Billie Eilish. Das macht die Vorbereitung aber tatsächlich auch einfacher, weil das die Musik ist, die die Jugendlichen kennen.
SINGEN: Und in welchem Schwierigkeitsgrad bewegt sich das Repertoire?
AS: Ich würde sagen mittel. Die Stücke sind alle begleitet – a cappella wäre mir mit einem unbekannte Chor zu heikel gewesen – und sollten dementsprechend gut durchlaufen. Aber leicht ist es sicherlich nicht, deshalb haben wir in der Ausschreibung auch darauf hingewiesen, dass die Reise für geübte Sänger:innen gedacht ist.
SINGEN: Stand denn zuerst das Programm fest oder haben Sie abgewartet, wer sich anmeldet?
AS: Teils, teils. Es stand natürlich die Frage im Raum, ob drei- oder vierstimmig, also mit einer Männerstimme oder zwei. Da habe ich tatsächlich auf die Anmeldungen geschaut. Und da ich ja die anderen Sänger:innen nicht kenne, habe ich mich am Basis-Chor orientiert, aus dem ja ein Großteil der Teilnehmer:innen kommt.
SINGEN: Und wie sieht die Stimmverteilung nun schlussendlich aus? War das problematisch oder hat sich das ganz gut verteilt?
AS: Es sieht eigentlich ganz gut aus. Wir haben uns für dreistimmig, also mit einer Männerstimme, entschieden. Wenn ich das richtig im Kopf habe, haben wir ungefähr 20 im Sopran, 20 im Alt und etwa zwölf Männerstimmen. Das ist eine recht gute Verteilung.
SINGEN: Was ist denn Ihr persönlicher Wunsch bezüglich des Ergebnisses der Reise?
AS: Mir wäre es wichtig, dass die Jugendlichen Spaß haben und auf ein tolles Erlebnis zurückblicken können hinsichtlich Reiseziel, Gemeinschaft und musikalischem Erleben; dass diese Reise ein wichtiger Abschnitt im Leben der Jugendlichen ist, der sie weiterbringt. Und natürlich wünsche ich mir, dass daraus irgendetwas wächst, dass die Reise zugleich ein Anschub ist – wofür auch immer.